Fahrdynamik

Dein Rad fährt anders


Radfahren ist einfach, wenn man es erst mal kann. Beim Radwandern gibt es aber noch ein paar zusätzliche Kleinigkeiten zu beachten. Denn ein voll beladenes Rad fährt sich eben anders als ein unbeladenes. Den Unterschied machen vor allem das höhere Gewicht und die größere Breite, die die Straßenlage irgendwie schwerfälliger machen. Aber das Eingewöhnen geht schnell - nach einem Tag auf dem beladenen Wanderrad wird Dir das selbe Rad unbeladen total klapprig und flatterig vorkommen. 


Was am Rad anders ist

Den wesentlichen Unterschied zum normalen Radfahren ist die komplett anderen Straßenlage. Hierfür solltest Du Dir eine weichere Lenkweise und ein intensiveres Schaltverhalten angewöhnen. Wichtig ist aber vor allem, den grundsätzlich längeren Bremsweg zu beachten.

 

Der Hauptgrund für die ungewohnte Straßenlage ist natürlich das Gepäck. Das wirkt sich durch sein zusätzliches Gewicht, aber auch durch seine Verteilung aus. Normalerweise bist Du selber mit deiner Körperachse der Schwerpunkt, aber nun geht das ganze auch noch in die Breite und auch nach vorne, wenn Du auch am Vorderrad Gepäck hast. Dadurch ändert sich auch der Kipppunkt des Rades, denn die Auflagefläche des Reifens bleibt ja unverändert. Das ist spannend bei langsamen Slalomfahrten, z.B. durch die überall anzutreffenden Drängelgitter an den Kreuzungen von Radwegen mit Straßen. 

 

Tja, und dann ist da natürlich noch der höhere Kraftaufwand. Da wirst du sicher gleich -richtigerweise- an Bergauffahrten denken. Um Dir die Knie nicht zu schädigen solltest Du  nicht mit zu hohem Krafteinsatz fahren. Das kannst Du durch rechtzeitiges, situationsangepasstes Schalten erreichen. Mach das während der Fahrt an Steigungen, aber auch bei Tempofahrten im Flachland und vor allem auch bei Gegenwind. Aber unterschätze nicht, dass auch das Anfahren auf ebener Fläche mit deinem beladenen Wanderrad wesentlich schwerer ist. Deshalb bist Du gut beraten, Dir anzugewöhnen, während des Anhaltevorgangs  i-m-m-e-r  herunterzuschalten, damit Du später wieder in einem kleinen Gang anfahren kannst. Ansonsten geht das Anfahren im großen Gang nämlich nicht nur auf die Muckies, sondern auch auf die Knie. Das gleiche gilt, wenn Du im zu hohen Gang in eine steile Steigung fährst. Die Differenz zu dem eigentlich notwendigen Gang ist dann meistens so groß, dass ein runterschalten total hakelig wird und Du das Ende Deiner Kraft eher erreichst als den richtigen Gang. Manchmal springt sogar die Kette ab. Und dann stehst Du da, am Berg und musst schieben. Denk aber oben auf dem Berg daran, vor der Abfahrt wieder in einen höheren Gang zu schalten. Denn es kann Dich ganz schön aus der Bahn werfen, wenn Du bei hoher Geschwindigkeit quasi ins Leere trittst, weil noch der kleine Gang vom bergauf fahren drin ist.

 

Wegen des höheren Gewichts solltest Du harte Hindernisse wie z.B. Bordsteinkanten besonders langsam und vorsichtig nehmen, sonst fährst Du Dir schnell eine Acht in dein Rad. Elegante Sprünge über das Hindernis sind mit dem beladenen Tourenrad natürlich ohnehin nicht drin. Aber auch die Methode, den Lenker an Kanten leicht hochzureißen, funktioniert mit Gepäck auf dem Vorderrad schlecht. Dein Hauptaugenmerk sollte sowieso auf dem Hinterrad liegen, denn das trägt Dein Gewicht und das von zwei Taschen (mit aufgeschnalltem Zusatzgepäck noch mehr). Da kannst Du Dir, wenn es ganz blöd läuft, einen Speichenbruch oder schlimmer einen Felgenbruch zuziehen. Um also das Hinterrad im Moment des Aufschlags zu entlasten, kannst Du vom Sattel hochsteigen und Dich in die Pedale stellen. Dadurch nimmst Du Dein Gewicht vom Hinterrad und verschiebst es auf die Tretkurbel, die bekanntlich zwischen den Rädern liegt. Wieviel das bringt kann ich nicht sagen, aber es kann ja auch nicht schaden, selbst wenn Du eine Hohlkammerfelge und gehärtete Speichen hast. 

 

Wenn Du aus Komfortgründen dein Gewicht durch Federung am Vorderrad Rad abfängst, wirst Du eine weitere Veränderung des Fahrverhalten Deines Rades beobachten können. Denn nun schwingt das Rad auch noch, was auf schlechtem Boden gut, aber auf guten Belägen schlecht ist. Und Du steckst einen Teil deiner Kraft nicht mehr in den Antrieb, sondern in die Federung. Ein gefedertes Rad zu fahren ist dadurch auf glatten Pisten erkennbar anstrengender. An manchen Rädern kannst Du die Federung aber je nach Gelände zu- oder ausschalten.

 

Besondere Vorsicht ist wegen des Gewichts bei Fahrten in den Bergen geboten. Denn ein beladenes Rad schiebt bergab von hinten mit seinem ganzen Gewicht gegen das Vorderrad, was bei Lenkfehlern und hoher Geschwindigkeit unangenehm werden und zum Sturz führen kann. Und die Bergabfahrten gehen mit beladenem Rad sowas von flott, Geschwindigkeitsrausch pur. 50 km/h sind schnell erreicht und auch überschritten. Deshalb solltest Du Dir überlegen, ob Du das Rad wirklich laufen lassen willst. Außerdem muss Dein Rad für so eine Challenge technisch topfit und verlässlich sein, alles muss fest verzurrt sein. Da darf sich kein noch so kleines Teil lösen und in die Speichen kommen, glaub mir. Tja und dann wären da noch die Bremsen, die überhitzen und sich dabei verziehen können. Aber ich kann es trotzdem meist nicht lassen... auch wenn dabei die Landschaft und mit ihr zahlreiche wunderbare Fotospots an mir vorbeirauschen (aber der Helm ist auf!)

 

Bergauf wiederum zieht Dich das beladene Rad dafür nach hinten, was an großen Steigungen zu verringertem Grip auf dem Vorderrad führen kann. Ich habe tatsächlich schon erlebt, dass das Vorderrad abgehoben und sich mit dem ganzen Rahmen hochkant um die Achse des Hinterrads bergab gedreht hat. Dazu muss es aber schon sehr steil sein. Wenn auf dem Vorderrad Taschen befestigt sind, sinkt das Risiko wieder deutlich.  

 


Wie sich der Untergrund und der Wegezustand auf die Fahrdynamik auswirken, beschreibe ich im Abschnitt Wege.