An der Nordseeküste

Von Amsterdam nach Hamburg


Anreise nach Amsterdam  

An einem angenehm warmen, sonnigen Sonntagmorgen eines der letzten spätsommerlichen Hitzetage in Berlin ging es für mich erst mal 14 km entspannt mit dem Rad zum Hauptbahnhof. Diesmal hatte ich mir genug Zeit genommen und konnte die Fahrt genießen. Lars, mein Mitreisender, kam mit der S-Bahn und war schon vor mir da, hatte allerdings in der Eile die Schlüssel seiner Fahrradschlösser vergessen. Die 1,5 Kilo wurden nun umsonst spazieren gefahren und zusätzlich mussten neue Schlösser besorgt werden. Aber Lars hatte eigentlich andere Probleme, denn er hat sich rechtzeitig zu Reisebeginn eine dicke Erkältung zugezogen.

Was für ein Erlebnis Bahnreisen sein können habe ich ja auf meinen Seiten schon ausführlich beschrieben. Und es hat eigentlich auch wieder wie gewohnt begonnen. Kurz vor Einfahrt des Zuges kam der Hinweis auf geänderte Wagenreihung und wir mussten am Hauptbahnhof mit dem ganzen Fahrradtross quer über den überfüllten Bahnsteig von F nach B hetzen.


Dann aber bot sich ein ganz anderes Bild. Wir wurden vom Schaffner empfangen, der die ganze Zeit das Einladen begleitete und half, Taschen hereinzutragen. Alles lief stressfrei ab und wir saßen nur ein paar Meter von den Rädern entfernt in einem nur halbvollen Wagon. 

 

Auch die Fahrt verlief weitgehend entspannt. Bis auf die Episode mit dem Golden Retriever. Dessen  Besitzer waren offensichtlich nicht in der Lage, die Zeichen ihres Hundes richtig zu deuten. Dieser hechelte eine halbe Stunde laut, guckte unglücklich seine Besitzer an und lief unruhig und dicht am Boden herum, nachdem er vorher 5 Stunden ruhig unter dem Sitz gelegen hatte. Als man endlich mit ihm an einem Bahnhof aussteigen wollte, passierte das unvermeidliche und der Hund machte sein großes Geschäft direkt im Gang vor die Räder und auf die Rucksackriemen einer Mitreisenden! Das Maleur wurde zwar vom Frauchen beseitigt, aber mit roten Papierservietten, so dass am Ende statt brauner Flecken rote auf dem Zugteppich waren. Und zu allem Überfluss führte das Ganze zu einem verlängerten Aufenthalt des Zuges am Bahnhof. 

In Amsterdam verlief dann der Ausstieg reibungslos und stressfrei, weil der Zug hier endete. Und diesmal hatten wir sogar einen ordentlichen Aufzug, in den sogar zwei Räder passten.

Ich erinnere mich noch gut an meine letzte Ankunft in Amsterdam Centraal, als ich das Rad hochkant in den Fahrstuhl nehmen musste. Damals war ich weniger begeistert...

 

Amsterdam empfing uns mit herbstlich frischem Wechselwetter aus Sonnenschein und Wolken. Auf dem Weg zum Hotel südwestlich der Innenstadt konnten wir uns schon ein wenig an den amsterdamer Verkehr gewöhnen, der durch die vielen Radfahrer und Motorroller geprägt ist. Beide Gruppen nehmen wenig Rücksicht auf alles andere um sie herum, insbesondere nicht auf Fußgänger oder umherguckende Radtouristen wie uns... 

 

Wir kamen dennoch unversehrt in unserem kleinen Hotel am Vondelpark an, konnten die Räder sicher auf dem Grundstück anschließen und zu einem kleinen Abendspaziergang zum nahegelegenen Leidseplein aufbrechen, einem der Ausgehviertel Amsterdams mit einem riesigen Angebot an verschiedenster Gastronomie. Sehr beliebt ist scheinbar die für uns ungewöhnliche Kombination aus Pizzeria und Steakhouse. Wir sind dann bei einem Inder hängengeblieben, wo wir nach dem Essen unseren Aufenthalt wegen eines plötzlichen Regenschauers noch ein wenig verlängern mussten. Na, was soll's...


Amsterdam  zu Fuss

Amsterdam Zentrum
Amsterdam Zentrum

Erst mal vorweg: Amsterdam sollte man gesehen haben! Die Stadt hat durch die vielen Kanäle ein echtes Alleinstellungsmerkmal (auch nicht mit Venedig zu vergleichen). Über mehrere Quadratkilometer zieht sich ein nahezu geschlossenes historisches Ortsbild aus schönen Klinkerbauten im Farbspektrum zwischen ziegelrot und -aufgemerkt - schwarz! Es haben sich überall Viertel herausgebildet, die verschiedene Interessengruppen bedienen, angefangen mit den Cannabiskonsumenten natürlich, für deren Bedarf sich allerorten Coffeshops und Ausstatter finden, aber auch Ecken für Kunst und Kunsthandwerk, diverse Viertel zum Ausgehen, Touristen-Nippeszonen und natürlich das Rotlichtviertel mit Chinatown. 

 

Man kann sich hier sehr schön treiben lassen und überall etwas entdecken. Oder sich vor eines der zahllosen Lokale und Cafes setzen und sich das vorbeiziehende, bunte Stadtleben anschauen...

Wir hatten uns vorgenommen, die Stadt zu Fuß zu erkunden und dafür eine Route zusammengebastelt, die von unserem Hotel im Museumsviertel über den benachbarten Vondelpark zum Rijksmuseum und dann durch das Kunstquartier zu dem Markt für Saatgut und Blumenzwiebeln und weiter in die Altstadt und das Rotlichtviertel führen sollte. Von dort wollten wir über den Jordaan und den Grachtengürtel wieder zurück laufen. Im Großen und Ganzen hat das auch so funktioniert, mal abgesehen von ein paar Schlenkern auf der Suche nach einer Gastronomie, die noch in der Sonne liegt.

 

Obwohl wir wirklich Glück mit dem Wetter hatten und die meisten Sehenswürdigkeiten ohne Regen und bei strahlender Sonne sehen konnten, war es doch ziemlich frisch und man musste sehen, dass man in schattigen Straßen sein Jäckchen überstreift.
Amsterdam hat, wie Berlin auch, mit Fluten von Touristen aus aller Welt zu tun, die meisten davon jung und inspiriert von dem toleranten Image der Stadt. Der Menge an feierwütigen Besuchern wird man offenbar nicht mehr Herr, es scheint tatsächlich Auswüchse anzunehmen. Weil man sich offensichtlich keinen besseren Rat wusste, hat die Stadt überall ihre Erwartungen an das Verhalten der Gäste durch Plakate verkündet, auf den Boden gesprüht und durch Verbote flankiert. Müll wegwerfen und urinieren kostet je 140 €, Alkohol in öffentlichen Räumen trinken 95€ , Rücksicht nehmen auf die Nachbarn usw. Was man aber nicht sah, war jemand, der die zahlreichen Verbote kontrollierte...

nach Volendam 28 km

Karte der Route von Amsterdam nach Volendam
Maps: Thunderforest, Data: OpenStreetMap contributors

Heute ging es endlich auf die Räder. Naturgemäß zog sich das Packen nach zwei Tagen vor Ort etwas in die Länge, so dass wir erst relativ spät das Hotel verlassen konnten. Aber wir hatten uns schon einen Weg durch die Stadt zurechtgelegt und dachten, so wieder Zeit aufzuholen. Wir wussten nämlich, dass die Straßenbahn auf der Leidsestraat wegen Bauarbeiten nicht fuhr, und so dachten wir, geradlinig in die Innenstadt zu kommen. 

Allerdings ging es zwischen den Straßenbahnschienen nicht so gut voran wie gedacht, die Straße war darüber hinaus eigentlich Fußgängerzone und voller Menschen. Also bogen wir ab und fuhren die Singel-Gracht entlang zum Centraal-Bahnhof. Gleich dahinter befindet sich das Fährterminal, von dem aus man nach Amsterdam Noord kommt. Wir hatten Glück, unsere Fähre stand schon bereit. Eine reine Fußgänger- und Radlerfähre, ziemlich voll. Nach ein paar Minuten war das IJ überquert und es ging immer an Kanälen entlang durch das nordholländische Grünland. Zeitweilig säumten über Kilometer hinweg Hausboote die Ufer, teilweise sehr moderner Art. Ein kleiner Höhepunkt war Broek, ein pitoreskes Dorf aus kleinen, geduckten Holzhäusern an schmalen Gräben, das ein bisschen an den Spreewald erinnerte.

Lediglich die Ausschilderung einer Baustelle in Broek war unerfreulich unzulänglich und zwang uns zu einem kleinen Irrweg. Ansonsten trieb uns der Westwind schnell zum IJselmeer bei Monickendamm. In dem kleinen, hübschen Städtchen gönnten wir uns eine kurze Pause am Hafen.

Hinter Monickendamm ging es dann auf der auch intensiver durch Autos genutzten Straße unterhalb des Deiches Richtung Volendam. Wir entdeckten an dem ansonsten eingezäunten Deich eine Stelle, an der man einmal kurz auf den Deich klettern konnte. Von dort bot sich ein toller Blick aufs Meer und ins grüne Hinterland. 

Nach einem spontanen Hosenwechsel am Deich erreichten wir kurz danach Volendam, ein Ausflugsort mit einem kleinen Hafen. Offenbar werden dort ganze Busladungen von internationalen Tagestouristen ausgekippt, so dass der Ort total überlaufen und voller Nippesläden ist. Trotzdem hat er sich seinen besonderen Charme bewahrt, der daraus besteht, dass er an den Deich gebaut ist und seine Promenade oben auf der Deichkrone liegt. Leider liefen bereits die Aufbauarbeiten für die alljährliche Kirmes, wodurch der Ort mit Gerüsten, Zelten, Zapfanlagen und mobilen Pissoirs vollgestellt wurde.

Da es schon wieder halb fünf war, entschieden wir uns, den ersten Tag auf dem Rad nicht weiter auszudehnen, sondern die Gelegenheit zu nutzen, im Ort zu bleiben und ein bißchen die Abendstimmung am Meer auf uns wirken zu lassen. Wir fanden gleich um die Ecke unseres Pausencafes ein Hotel mit zwar nicht ganz so günstigen Preisen, dafür aber mit Seeblick. Dort probierten wir es direkt an der Rezeption und nicht bei booking.com, was auch durch einen Balkon am Zimmer belohnt wurde.


nach Enkhuizen 47,5 km

Karte der route von Volendam nach Enkhuizen
Maps: Thunderforest, Data: OpenStreetMap contributors

Nun hat es uns also doch erwischt. Mit unserer Abfahrt aus dem Hotel in Volendam fing es an, zart zu nieseln. Dabei begann der Morgen noch freundlich mit einem schönen Sonnenaufgang über dem IJselmeer.

Aber noch kein Grund, die Regensachen anzuziehen; Windjacke und darunter ein Unterhemd, ein Longshirt und darüber ein, T-Shirt, das sollte mir zunächst reichen. 

Lars fährt regelmäßig mit noch weniger Kleidung. Zunächst hat das Fahren ohne Regenjacke zunächst auch gut funktioniert. In Edam angekommen bot sich dann allerdings das selbe Bild wie die letzten beiden Male, die ich bereits dort war, es regnete stetig und der Himmel war grau. Schade, denn eigentlich ist die kleine Stadt mit dem bekannten Käse, die sich um eine Gracht herumgruppiert ganz schön. Verändert hatte sich allerdings die Umgebung Edams, denn dort wurde die letzten Jahre im großen Stil gebaut. 

Unter den regnerischen Umständen hielten wir unseren Aufenthalt kurz und ließen uns vom heftigen Südwestwind nach Norden treiben. Dabei erreichten wir beachtliche Reisegeschwindigkeiten, allerdings nur, wenn der Weg richtig zum Wind verlief. Ansonsten wurde es ungemütlich und anstrengend, z.B. bei Schlenkern nach Westen. Irgendwann auf halber Strecke nach Hoorn wechselte ich dann doch meine Regenjacke ein, weil es sich eingeregnet hatte. Unter solchen Umständen konnten wir leider auch das Hafenstädtchen Hoorn nicht richtig erkunden, denn es war schlicht zu ungemütlich. Schade, denn es hatte einige interessante Ecken...

Am Stadtausgang von Hoorn fanden wir endlich eine Gelegenheit, uns mal eine Weile unterzustellen und in Ruhe das morgens bereits ins Auge gefasste Hotel zu buchen, weil wir nach den Strapazen nicht auch noch im Regen umherirren und patschnass nach Zimmern suchen wollten (es war nur noch ein Zimmer frei, also grade noch rechtzeitig).


In dem alten Stadttor stand schon ein anderes Paar deutscher Radwanderer und beobachtete die Situation. Sie meinten gelesen zu haben, es soll gegen 14 Uhr aufhören und wagten sich nach10 Minuten wieder hinaus, waren sie doch auf vorgebuchter Reise mit Gepäcktransport und wollten/mussten auch noch nach Enkhuizen. Wir starteten ein paar Minuten nach den beiden aus unserem Unterstand. Der Weg führte ab Hoorn allerdings auf der Deichkrone entlang. Das ging gerade noch solange gut, wie neben uns ein Gewerbegebiet mit Hallen und Bäumen lag. Als aber der letzte Baum vorbei war und rechter Hand nur noch das offene Meer lag, peitschte uns waagerecht der Regen ins Rad, so dass wir Schwierigkeiten hatten uns zu halten. Es wurde unglaublich anstrengend, man konnte kaum etwas sehen und so entschieden wir uns, umzudrehen und stattdessen den direkten Weg durchs Landeresinnere immer entlang einer Nationalstraße zu nehmen. Nicht schön, aber die einzig richtige Entscheidung! 


Wir waren von dem kurzen Ausflug so durchnässt, dass wir uns unter einer Brücke nochmal umziehen mussten, Regenhosen, Stulpen - das volle Programm! Klatschnass und kurz vor dem Ziel auch mit langsam nachlassenden Kräften erreichten wir unser Hotel in Enkhuizen. Dort gab es zur Belohnung eine tolle, neue Dusche mit Regenduschkopf an der Decke. Mit der richtigen, schön heißen Temperatur eine Wohltat nach dem Dauerregen draußen bei frischen 17 Grad...

Am Abend wurde das Wetter dann wieder versöhnlich. Die Sonne kam heraus und wir konnten uns Enkhuizen doch tatsächlich noch in einem schönen Abendlicht anschauen. Mit uns taten das auch die Passagiere der vielen, vielen Küstensegelschiffe, auf denen Gruppen Teamgeist und gemeinsam Anpacken lernen sollen und die zu diesem Zweck das ganze Ijselmeer durchkreuzen. Insbesondere offensichtlich eine besonders beliebte Aufgabenstellung für Jugendgruppen, aber nicht nur. Den Tag ließen wir dann in einem modernen Restaurant mit holländisch-asiatischem Küchenmix und sehr höflichem, englischsprachigen Personal ausklingen. Mit Englisch kommt man in den Niederlanden immer gut zurecht, es wird von den Einheimischen sehr gut und auch lieber gesprochen, selbst wenn sie Deutsch können.


nach Makkum 30 km Rad (+25 km Fähre)


Maps: Thunderforest, Data: OpenStreetMap contributors
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Unsere zweite Fährfahrt stand an. Wir verließen Nord-Holland mit dem Schiff Richtung Fryslân/Friesland, das direkt vom Hafen an der Altstadt losfuhr. Das Wetter hatte sich heute etwas besonderes ausgedacht, Sonne und Schauer im flotten 20-minütigen Wechsel. Und zwar den ganzen Tag! Eigentlich sollte es nach Wetterbericht damit um 10 Uhr vorbei sein...

Beim Frühstück sahen wir das Pärchen wieder, das wir gestern unter dem Stadttor getroffen hatten. Sie wollten die selbe Fähre nehmen, dann allerdings ihre IJselmeer-Umrundung nach Süden fortsetzen, während es für uns nach Norden gehen sollte.  


Die Überfahrt lief reibungslos, war allerdings sehr "bewegt". Erstaunlich, dass es die auf dem Oberdeck in Gruppe gegeneinander gelehnten Räder nicht auseinandergerissen hat. Das Schiff schob sich direkt gegen die Dünung und wurde ordentlich durchgerüttelt. Die Getränke heil an den Tisch zu bringen war eine kleine artistische Meisterleistung, die reihum von den sich unter Deck verkriechenden Passagiergruppen absolviert und gegenseitig bewundert wurde. Auch unsere Bekanntschaft war wieder dabei und gesellte sich während der Überfahrt zu uns an den Tisch.


Vom Schiff gestiegen, drehten wir eine kurze Runde durch das Dorf am Fährhafen und bogen dann wie geplant nach Norden auf den Deichweg ein. Pikanterweise frischte der Wind in der letzten Nacht nicht nur auf, er drehte auch von freundlichem Südwest auf gemeines Nordwest. Und er bließ ziemlich stark, was für uns eine echte Herausforderung war. Gestern mit Rückenwind und 28 km/h am Deich entlanggeflitzt, heute unter Aufbietung sämtlicher Kraftreserven mit 12, maximal 16 km/h fast stehend vom Rad gefallen...

Wir hatten hier in Friesland auch unseren ersten "Schafskontakt" und konnten das Passieren von Schafsgattern üben. Was ich trotz meiner Deicherfahrung vergessen hatte war die goldene Grundregel: "nicht in die Schafsscheiße treten". Wer nicht aufpasst, hat das Zeug am Schuh in allen Rillen des Profils und am Rand. Von dort verteilt es sich auf die Pedale und weiter auf die Hosenbeine. Keine schöne Sache, das...

Nun war es aber passiert. Also hieß es für mich erst einmal, unterwegs mit einem weggeworfenen Eisstiel grob den Schuh zu reinigen und dann Abends den Schuh zu duschen. Alles halb so schlimm, wäre ich nicht schon halb erfroren von der Kälte, dem Wind und durchnässt vom Regen, gewesen. Auch unter der Bettdecke einmummeln brachte keine Heilung, und so mussten die ersten Paracetamol gegen das aufkommende Fieber eingeworfen werden. Da waren wir nun also zwei Patienten, denn Lars, mein Mitreisender ist ja bereits seit dem Start der Tour wegen seiner Erkâltung mit Medikamentenkoffer unterwegs...


nach Leeuwarden 44,5 km

Maps: Thunderforest, Data: OpenStreetMap contributors
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Erstes Etappenziel heute war der Abschlussdamm, mit dem die Niederländer die Nordsee von ihrem IJselmeer fernhalten. Nur mal gucken, nicht fahren.  Hätten wir gewollt, dann hätten wir trotzdem nicht gekonnt, denn sichtbar gab es Bauarbeiten am Damm. Davon hatten wir schon gehört, und den eingerichteten Busersatzverkehr wollten wir auch nicht nutzen. 

Nachdem wir die über den Damm führende Autobahn unterquert hatten ging es in das Dorf Zurich, danach führte der Weg auf die Deichkrone. Da wir ein paar Kilometer zuvor schon probiert hatten, über den Deich zu gucken und dabei fast die Treppen wieder hinuntergeblasen worden wurden, waren wir etwas skeptisch und wenig begeistert von der Aussicht, auf dem Damm oder dessen Meerseite zu fahren. Aber wir hatten plötzlich Rückenwind und konnten die überbreite Betonpiste wie die Bahnradfahrer eine Weile mit ordentlich Tempo entlangflitzen. Das war endlich ein kleines Highlight dieser ansonsten bislang doch eher unerfreulichen Reise.

In Harlingen, einem der Fährorte zu den westfriesischen Inseln, nutzten wir einen Albert-Heijn-Supermarkt am Altstadthafen, um für das nahende Wochenende einzukaufen. Wir hatten den Eindruck, dass an der Küste kaum noch größere Orte vor uns liegen würden und wollten wenigstens unsere Radfahrer-Grundausstattung dabei haben. Also Wasser und Würstchen. Kekse hatten wir noch genug. 

 

Ein bißchen wehmütig verließen wir das nette Harlingen ins Landesinnere Richtung Leeuwarden. Wir wären gerne noch unseren Radfahrerhighway weitergefahren, aber zum Einen gab es direkt an der Küste keine Quartiere und zum Anderen sollte Leeuwarden eine ganz interessante und lebendige Stadt sein. Also hatten wir auf einer netten Bank am Hafen mit Blick auf die vielen alten Segel- und Fischerboote ein B&B im Zentrum Leeuwardens gebucht. Der Weg dorthin war ausnahmsweise mal keine Knotenpunktstrecke, sondern "lediglich" eine schnurgerade, lokale Verbindungsstrecke für Radfahrer, natürlich zweispurig, meist neben einer mäßig befahrenen Landstraße. Aber das machte uns nichts, wollten wir doch noch vor dem ab 16 Uhr angekündigten großen Regengebiet ankommen (richtig - wer aufgepasst hat, wird bemerkt haben, dass es noch gar nicht geregnet hat). Und wir haben es auch geschafft. Der Wind kam zwar nicht mehr ganz so komfortabel von hinten, aber es war nicht so kalt und anstrengend wie gestern. 

 

In Leeuwarden mussten wir erst einmal das versteckte B&B finden, danach dann die öffentliche Fahrradgarage (sehr interessant, indoor Doppelstock-Parker, mit Barcode-Klebi für das Rad - scheinbar früher mal ein Supermarkt). Aber es hat alles noch vor dem Regen geklappt und wir konnten uns diesen erst einmal trocken vom Panoramafenster zum Marktplatz aus anschauen... 

Nachdem die Räder sicher verstaut waren, konnten wir uns mit unserer Suite in unserem windschiefen, uralten Bürgerhaus auseinandersetzen, die sagen wir mal etwas "speziell" war. Neben einem schwarzen Bett und einem opulent-plüschigen Dekorationsstil gab es auch andere Details zu bewundern. Auf dem Badewannenrand saßen neben der Zimmerpalme drei bunte Badeenten aufgereiht und der Gast konnte sich aus einem reichhaltigen Parfüm-Sortiment oder an diverser mehrsprachiger Literatur bedienen. Wenn nur das bodennahe, extrem niedrige WC-Becken vor dem großen Panoramafenster zum Marktplatz hin nicht gewesen wäre...


In der Altstadt war tatsächlich eine Menge los, so viel, dass wir in einige Läden gar nicht erst hineingegangen sind. Und so irrten wir unter unseren aus dem B&B mitgenommenen Schirmen im aufkommenden Gewitter eine Weile umher, bis wir ein sehr schönes, gutes, modernes und günstiges (!) Lokal gefunden hatten.


nach Nes 40,5 km

Maps: Thunderforest, Data: OpenStreetMap contributors
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Der Tag begann mit einem seltsamen Frühstück in unserem seltsamen Zimmer. Während wir ohne Erfolg versuchten, mit einer uns unbekannten Technik Eier weich zu kochen und die Kühltonne leerten, die uns mit Lebensmitteln vor die Tür gestellt wurde, konnten wir aus unseren Panoramafenstern die Regenschauer beobachten, die alle 20 Minuten über dem Marktplatz niedergingen.

 

Eigentlich hatten wir heute ein strammes Programm, denn wir wollten noch gegenüber auf der anderen Seite des Marktplatzes bei H&M Winterkleidung für die kühlen Abende shoppen.  Als es bereits hab elf war, beschlossen wir, getrennt einkaufen zu gehen. Die Zeit, die der jeweils andere aus dem Haus war, konnte dann für die Morgentoilette genutzt werden, denn -wie gesagt- das Zimmer war seltsam und hatte zum Bad nur einen dünnen Vorhang. Direkt neben dem Frühstückstisch...

Und wir waren erfolgreich beim Express-shoppen! Jeder von uns hat in einer Viertelstunde (inklusive Weg über den Platz) alles bekommen, was er brauchte. Vielleicht war das der Grund, warum dann alles anders wurde - wir waren einfach zu gut vorbereitet! Das ist so, wie mit Schirm aus dem Haus gehen, dann regnet es bestimmt nicht. In Leeuwarden mussten wir uns zwar noch zweimal unterstellen, aber als wir aus der Stadt heraus waren, war es damit auch vorbei. Und danach wurde es richtig schön...

Eine alte Radfahrerweisheit (in unserem Fall eher Radfahrerhoffnung) lautet schließlich "es kann nicht ewig so weitergehen". Und diesmal hatten sich die Wetterfrösche zu unseren Gunsten komplett verhauen. Sie hatten prophezeit, es würde morgens bis 10 Uhr regnen (ging dann bis 12 Uhr) und dann ab 15 Uhr auch noch Gewitter geben. Stattdessen klarte es immer weiter auf, je näher wir der Nordsee kamen und wir fuhren zum ersten Mal längere Zeit in der Sonne. Und sogar der Wind, der konstant aus Nordwest blies, war erträglich... Zum ersten Mal konnten wir eine entspannte Pause an einem Rastplatz machen, mit Sonne im Gesicht, harter französischer Salami und lekkerem holländischem Käse, den wir uns mit dem Messer vom Block herunter geschnitten haben. Sehr schön...

Nach der Rast verließen wir den Fluss, der uns die ganze Zeit begleitet und uns landschaftlich sehr gefallen hatte. Es lagen auch einige sehr hübsche Ortschaften an dessen Ufern, ein echtes Bilderbuch-Holland. Nun aber ging es direkt nach Norden ans Meer an kleineren Kanälen entlang und später nur noch über freies Feld, in dem sich teilweise große Möwenschwärme breit gemacht hatten.

Nach einigen Kilometern im direkten Gegenwind erreichten wir die Deiche an der Nordsee. Die nächstbeste Gelegenheit fuhren wir auf den Deich, um mal einen Blick aufs Meer zu wagen. Hinter den Salzwiesen, die wir zu sehen bekamen, war der Fährhafen nach Ameland zu erkennen, dem sich gerade eine Fähre näherte. Und wie von Zauberhand eilten Autokolonnen vom Festland zum Fährhafen, um das Schiff noch zu erwischen... Beeindruckender fanden wir allerdings die üppige Kunstskulptur, die hier auf's Meer guckte. Einem Hinweisschild nach sollte sie demnächst Gesellschaft bekommen, eine zweite, sehr schlanke Frau. 

 

Nach einer Weile machten wir uns wieder auf den Weg, diesmal Richtung Osten. Da der Deich uns gegen den Nordwind abschirmte, vergingen die letzten 15 km relativ flott. 

 

Kurz vor unserem Ziel kamen wir an einem kleinen Restaurant vorbei, in dessen Vorgarten einige Gäste die Sonne genossen. Hier könnte man sicher gut essen amAbend dachten wir, bereits ahnend, dass es in unserem gebuchten Ort Nes keine Gastronomie geben könnte. Und so war es dann auch. Nachdem wir in einem sehr schönen, urigen  B&B in einem reetgedeckten Bauernhaus eingechekt hatten, ging es deshalb gegen den Wind wieder die 2 Kilometer zurück. Das Lokal entpuppte sich dann als authentische Dorfkneipe. Kein Handyempfang, nur niederländische Speisekarten und voller Einheimischer, die hier gesellig ihren Samstagabend verbrachten. Wir hatten nette Hilfe bei der Übersetzung der Karte und sind dann länger geblieben als gewollt. Die für den Abend angekündigten Gewitter blieben aus, und so radelten wir in herrlicher Luft unter Sternenhimmel die stockdustere Straße zurück nach Nes. 


nach Borkum 72 km
  (+19 Km Fähre)

Maps: Thunderforest, Data: OpenStreetMap contributors
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Die Prognosen für den heutigen Tag waren vielversprechend. Es sollte keinen Regen geben und keinen Gegenwind. Wir überlegten deshalb, ob wir es vielleicht bis Eemshaven schaffen könnten, obwohl das recht weit von uns entfernt war, ca. 65 Km. Aber wir hatten eigentlich auch keine Alternative, denn zwischendurch am Deich gab es keinerlei Übernachtungsmöglichkeiten. 

Es war gestern schon ein Problem, ein Quartier zu finden, heute schien es ausgeschlossen. Also Eemshaven. Von hier sollte es dann am nächsten Tag nach Borkum weitergehen. Erstmal hieß es aber rechtzeitig beim Frühstück zu sein, denn die vorgesehene Zeit von 8-9 Uhr war doch recht knapp. Als wir dann endlich aufsattelten, fing es doch tatsächlich an, zu regnen, aus -im wahrsten Sinne des Wortes- heiterem Himmel. Aber es war nur ein ganz zarter Sprühregen, so dass wir einfach ohne Regenzeug losgefahren sind. 

Als nächstes erreichten wir, kurz hinter einem großen, weithin sichtbaren Sperrwerk an einer Flußmündung Lauwersoog, ein weiterer Fährhafen zu den westfriesischen Inseln. Als wir das zugehörige, größere Hafengebiet durchquerten, entstand bei uns beiden plötzlich der Wunsch nach einem Fischbrötchen. Auslöser dieses Verlangens war aber offensichtlich nicht die maritime Athmosphäre mit den vielen Fischerbooten und Fischfabriken, sondern ein Lokal, an dem wir kurz vorher vorbeigefahren waren, und das verführerische Gerüche abgab. Es blieb uns nichts anderes übrig, wir mussten zurück. Leider gab es in dem Fischrestaurants nichts auf die Hand, und für einen längeren Aufenthallt fehlte uns die Muße. Also zogen wir unverrichteter Dinge weiter, aber der Wunsch nach einem Fischbrötchen, der blieb. 

Hinter Lauwersoog ging es dann 40 km am Deich entlang. Zunächst auf breiter Asphaltpiste auf der Meerseite, bis wir entnervt von den ständigen Schafsgattern, die uns alle 500m abbremsten und zum umständlichen Durchfädeln zwangen, auf die Landseite wechselten. Dort lief es dann wie geschmiert, denn hier gab es fest verbaute Schafsfurten mit überfahrbaren Metallrosten, die so gut wie kein Hindernis waren. Dadurch kamen wir zügig voran, es sei denn fluchtwillige Schafe blockierten die Furten. Aber auch die Landschaft bot wenig Grund, sich lange aufzuhalten, was nicht negativ gemeint ist. Denn es handelte sich um einen komplett unbesiedelten Landstrich, trotz überragender Fernsicht gab es keine Gebäude zu sehen. Im Grunde bot sich vor einem ein aufgeräumtes, schlichtes Bild, unten grün, oben blau. Getrennt durch den klaren Strich des Deiches. Bei so wenigen Eindrücken, die der Geist aufnehmen muss, bekommt man endlich mal den Kopf frei. Zusammen mit der freien, ungehinderten Fahrt entsteht so ein wunderbar meditativer Effekt auf dem Rad. 

Auch wenn es frisch war und ab und an noch mal nieselte, wir kamen gut voran und hatten Spaß. Und so entstand die Idee, zu versuchen, die letzte Fähre um 16:45 Uhr zu bekommen und noch nach Borkum überzusetzen. Wir gönnten uns nur noch einen letzten Halt an einer Deichunterquerung eines Flüsschens. Dort war es ungewohnt lebendig, weil es zum einen an einem kleinen See ein Lokal mit Außenplätzen gab, zum anderen auf der Seeseite des Deiches am Fluss eine gut besuchte Theateraufführung mit Gesang lief. Wir schauten uns diese von der Deichkrone aus kurz an, dann wurden es uns zu viel Menschen und wir kehrten lieber in unsere Deich-Einsamkeit zurück.

 

Eemshaven entpuppte sich als riesiger, künstlich in die Landschaft geklotzter, Industriehafen, durchzogen von hunderten Windrädern. Kein Ort zum Verweilen. Leider waren die Wege, die zum Fähranleger führten, so verschlungen, dass wir noch eine ganze Weile etwas von der "schönen" Kulisse hatten und erst kurz vor der Fähre eintrafen. 

 

Die Fährfahrt war dann wunderbar ruhig und entspannt, kein Vergleich  zum IJselmeer. Glatte See und Sonne satt. Kreuzfahrtfeeling...

Nach der Ankunft der Fähre mussten wir noch einmal 7 Km in die Pedale treten, da der Fährhafen im Osten, der Hauptort aber im Westen liegt. Wir hatten dort ein kleines Boutiquehotel nahe der Strandprommenade über booking.com gebucht. Leider wusste davon im Hotel niemand etwas. Und deshalb war auch niemand vor Ort, wir standen vor verschlossenen Türen. Einzig der Kellner des zugehörigen Restaurants kümmerte sich und rief die Hausdame, die bereits Feierabend hatte, an. Bis diese eintraf, konnten wir auf der Restaurantterrasse Platz nehmen und ein Bier aufs Haus genießen. Wir bekamen dann auch statt des gebuchten Budget-Zimmers das schönste Zimmer des Hauses, zum Strandweg hin, mit großem Balkon und Abendsonne.


nach Emden 35 km
   (+50 km Fähre)

Maps: Thunderforest, Data: OpenStreetMap contributors
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Heute wollten wir Borkum erkunden und erst am späten Nachmittag auf die Fähre, die uns nach Emden bringen sollte.  Der Hauptort Borkum war ein Sammelsurium von beziehungslos nebeneinander gestellter 70er-jahre Architektur, Resten historischer Bäderarchitektur und Einfamilienhäusern, durchzogen von unbebauten Flächen. Originell war allerdings die Inselbahn, die wie eine Straßenbahn durch die Straßen fuhr. 

 

Bei Sonne betrachtet, sah das ganze nicht wirklich besser aus, aber es war auch nicht mehr so wichtig. Es war belebt und die Strandpromenade bot zum Meer hin einen schönen Blick. Auf den gegenüberliegenden Sandbänken waren von dort aus sogar Seehunde zu sehen. Leider ist der bebaute Teil der Promenade nicht sehr lang und bietet keine schönen Geschäfte oder Gastronomie. Nur Große Appartementhäuser, Hotels und eine Klinik (was den Eindruck einer Sanatoriumsinsel noch verstärkt). Ohnehin zieht die Insel offensichtlich eher älteres Publikum an. Die Wende im Tourismus ist hier noch nicht geschafft, obwohl die Insel dafür viele Möglichkeiten bietet. Derzeit ist alles eher altbacken.
Das macht einem aber in den Dünen und am überbreiten Stand nichts aus, hier ist es einfach nur sehr schön! Wir fuhren durch die Dünen zum Osten der Insel und freuten uns über das achterbahnähnliche Auf und Ab. Leider gab es im Grunde keine alternativen Fahrtstrecken, so dass wir den selben Weg wieder zurück mussten. Wir holten die Fahrradtaschen aus dem Hotel und fuhren dann mehr oder weniger geradlinig zum Fährhafen. 
Während der Überfahrt schlug leider das Wetter um, so dass es auf dem Oberdeck frisch und immer leerer wurde. Wir zogen uns hinter die Brücke in den Windschutz zurück und blieben dadurch unbehelligt von der Kälte.

Greetsiel 33 km

Maps: Thunderforest, Data: OpenStreetMap contributors
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Eigentlich sollte der Tag heute mit einer Emdenbesichtigung beginnen. Nun hatte man aber bei der Stadtverwaltung beschlossen, man müsste das alte Pflaster am Markt erneuern und bei der Gelegenheit gleich noch ein paar Bäume fällen. Und so breitete sich in der Innenstadt eine Großbaustelle aus, die direkt vor unserem Hotelfenster begann. Pünktlich um 7 Uhr begann man, Steine und Äste zu sägen. 

Der Krach begleitete uns auch während des Frühstücks, so dass es für uns am wichtigsten war, aus dem Baustellenchaos herauszukommen. Wir schoben die Räder nochmal zu dem Kanal am Rathaus, an dem wir gestern schon vorbeikamen, dort aber war Wochenmarkt. Alles voll und eng, für uns auch kein richtiger Platz. Also machten wir uns Richtung Westen davon. Müssen wir halt ein andermal das Otto-Museum suchen.

Wir hatten unsere Route so geplant, dass wir durch Krummhörn, westlich von Emden kamen, weil es in diesem Landstrich einige hübsche Siedlungen geben sollte. Die Ostfriesen bauten ihre Dörfer dort auf runde, flache Hügel, relativ eng und verwinkelt. Mich hat es heute landschaftlich an Brandenburg erinnert, mit Ausnahme der Orte. Nur weite, abgeerntete Äcker oder Mais. 

Unser Weg führte uns zunächst nach Rysum, im Westen von Emden. Wir wollten dorthin nicht den an der Küste ausgeschilderten Nordseeküstenradweg nutzen, sondern durchs Landesinnere abkürzen. Der Wind blies heute nämlich stramm aus Nordwest, und da muss man nicht unbedingt auf dem Deich fahren. Zumal wir den Abschnitt an der Ems gestern erst auf dem Wasser entlang gefahren sind. 


Bei einem Orientierungsstop am Straßenrand hatten wir eine nette Begegnung mit einem sehr alten Mann, der uns erst seine Hilfe anbot und dann ins plaudern kam. Hätte nicht seine Frau bereits das Essen auf dem Tisch zu stehen gehabt - Birne, Speck und Bohnen - wir würden heute noch dort stehen. Ein überzeugter Radfahrer übrigens, der den Widerspruch zwischen dem Umweltbewußtsein der jüngeren Generationen und dem beobachtbaren Umweltverhalten beklagte, womit er aufs Auto fahren abhob. Er habe sich mit 80 Jahren noch ein E-Bike angeschaft, weil der Wind in Ostfriesland dann doch mal stärker wehen kann.

Das fiel auch uns auf, denn wir hatten die ganze Fahrt über ganz schön zu kämpfen. Mit dem Wind von schräg-links war es auch nicht einfach die Spur zu halten. Da aber die Radwege in schlechtem Zustand waren, mussten wir ohnehin meist hintereinander fahren.

Die Dörfer waren wirklich hübsch. In Rysum stand eine historische Windmühle zum Besuch offen, und so kletterten wir auf die Plattform unterhalb der Mühlenflügel und genossen die Aussicht über das Dorf und das Land. In den nächsten Dorf waren es eher die Kirchen, die das Dorf dominierten. Ziemlich massive, alte Backsteinkirchen mit Kirchhöfen, und Pastoreien. Am Rand der Dörfer lagen Bauernhöfe, die nur aus einem, dafür aber sehr großen Gebäude bestanden. In einem dieser Höfe hat man eine ganze Grundschule untergebracht.

Am frühen Nachmitag erreichten wir dann Greetsiel und fanden uns plötzlich in einer fremden Welt wieder. Um einen Kanal und ein Hafenbecken herum erstreckte sich ein kleines, historisches Städtchen mit leicht niederländischer Anmutung. Es wimmelte hier von Tagesbesuchern, überwiegend gehobenen Alters, überall gab es Gastronomie zum Draußen sitzen und kleine Läden. Sogar ein Afrika-Shop war am Start. Wir hatten ein Volendam-Dejavue! Deshalb entschlossen wir uns wieder, spontan zu bleiben und den Trubel ein bißchen mitzunehmen. Ein Hotel war schnell gefunden, und nach einer schönen Dusche machten wir uns auf zu einem kleinen Stadtbummel in der Abendsonne. Wir gönnten uns ein Eis in dem Laden am Hafen, an dem am Nachmittag noch die Touristen bis auf die Straße hinaus angestanden hatten und entdeckten beim Spaziergang noch zwei malerische Windmühlen an einem Fließ vor den Toren der Stadt. Und heute gabs mal Fisch, frische, sehr schmackhafte Scholle in großen Portionen in einem kleinen, eher einfachen Restaurant.


Dornumersiel 47 km

Maps: Thunderforest, Data: OpenStreetMap contributors
Maps: Thunderforest, Data: OpenStreetMap contributors

Nun hat es uns also doch wieder eingeholt, das Schietwetter. Gerade, als wir uns gesundheitlich stabilisiert hatten, kam mit ganzer Macht der Regen zurück. Anfangs noch als Sprühregen, ab Mittag aber als kräftiger Dauerregen.

So blieb uns nichts anderes übrig, als wieder in die volle Montur zu steigen und uns in unser Schicksal zu fügen.

 

Einen kleinen Unterschied gab es heute jedoch im Vergleich zu den vorherigen Regenfahrten: 

der Wind kam von hinten! Es ging wieder ganz überwiegend am Deich entlang, mit Ausnahme eines kurzen Schlenkers nach Osten, der uns in die Stadt Norden führte. Sie soll die älteste in Ostfriesland sein - man sieht es ihr nur leider nicht an. Irgendwie macht die Innenstadt keinen richtig zusammenhängenden Eindruck. Es stehen halt überall verteilt ein paar historische Gebäude neben den üblichen Banalitäten der 60er und 70er-Jahre, durchzogen von stark befahrenen Straßen. Die Perlen der Stadt zu suchen schien uns aufgrund der Wetterbedingungen unangebracht, also machten wir uns Richtung Norddeich-Mole davon. In der dortigen Touristeninformation erkundigten wir uns, ob es eine Möglichkeit zum Inselhopping gäbe, denn dann hätten wir es mit dem Schiff weiter nach Osten zu einem anderen Hafen schaffen können, ohne uns durch den Dauerregen zu quälen. Aber das gibt es nicht, weil es keine Fahrrinnen zwischen den Inseln gibt.

Also doch selber strampeln in klitschnassen Regensachen. 

 In Norddeich-Mole nutzen wir ein kleines Wlan-Häuschen (ja, sowas gibt's hier!),  um ein Quartier über das Internet zu buchen. Die Dame in der Touristeninfo führte natürlich keine Prospekte der konkurrierenden Nachbargemeinden. Ein überall in Deutschland zu beobachtender Unfug (im Ausland geht das besser). Es sollte nach Dornumersiel gehen, das uns angemessen nah (wegen des Regens) und angemessen weit entfernt erschien (für den Rückenwind, den wir noch nutzen wollten).

Der Wind stand immer noch günstig. Und so konnten wir trotz der Umstände ein bisschen Strecke machen. Wir hatten ja schließlich auch schon genug Regenfahrt-Erfahrung gesammelt, um das ganze professionell über die Bühne zu bringen. Es gab ohnehin nichts zu sehen, denn die Landschaft war -soweit wir etwas erkennen konnten- mal wieder außerordentlich "aufgeräumt". Deich links, Mais rechts, sonst nix. Keine Häuser, keine Menschenseele. Nur die Schafe leisteten uns die nächsten 27 Km Gesellschaft.

 

Die ersten Kilometer nach Norddeich Mole ging es wieder seeseitig am Deich entlang. Da er hier wieder asphaltiert war, wurde es uns dann irgendwann dann doch zu "monochrom" und wir wechselten auf die grüne Landseite. Dort gab es auch wieder erwartungsgemäß weniger Drängelgitter wegen der Schafe und der Rückenwind griff besser. Allerdings war auch der Regen stärker, aber immerhin ging er nicht ins Gesicht. Was es auf beiden Deichseiten nicht gab, waren Unterstellmöglichkeiten. Keine Schutzhütten, Dächer oder Ähnliches. Aber das war schon seit Amsterdam so. Deshalb mussten wir bis zu einer Bushaltestelle warten, um endlich  unsere Karten drehen zu können, ohne dass diese nass wurden. 

 

Gegen 16 Uhr erreichten wir unser Hotel und gönnten uns wieder unser bewährtes "Radfahrerwellness". Eine Heiße Dusche und dann ab unter die Decke, schlafen (Lars) oder tippen (ich).

Und danach gabs im benachbarten Restaurant wieder Scholle mit Bratkartoffeln für uns beide. Und wieder konnten wir uns vor dem allgegenwärtigen Jever drücken, hier gab es Becks. Danach gönnten wir uns noch einen Abendspaziergang am stockdunklen Deich und im taghell erleuchteten Hafen in milder Luft und ohne Regen. Im Hafen störten wir offensichtlich mehrere romantikwillige Jugendliche, die ihn als Schmuseparkplatz nutzen wollten. So unsere Vermutung, denn sie starteten die Motoren und fuhren davon, als wir kamen bzw. fuhren, kaum gekommen, wieder weg, als sie uns am Wasser stehen sahen. Der Blick auf die vorgelagerten Inseln war tatsächlich schön, aber wir hätten zum parken einen anderen Platz gewählt...


Dangast 80 km

Maps: Thunderforest, Data: OpenStreetMap contributors
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Das Wetter hat es heute gut mit uns gemeint, klassisches Küstenwetter aus Sonne und Wolken und im ersten Abschnitt, als es nach Osten ging, zusätzlich noch griffiger Rückenwind. Da macht das Fahren richtig Spass, ohne Mühe lässt es sich mal ne Weile mit 30 Km/h den Deich entlang fegen... Und es war warm heute, kein Frieren an Hals oder Schulter, wir konnten sogar kurzärmelig fahren

Das hatte dann natürlich den Nebeneffekt, dass wir uns ordentliche Sonnenbrände eingefangen haben. Aber wir waren ja bislang nicht von der Sonne verwöhnt und haben das Risiko bewusst in Kauf genommen.

Die flotte Fahrt wurde alle ca. 15 km unterbrochen durch die typischen Sielorte. Das sind Stellen, an denen das abfließende Binnenwasser gesammelt ins Meer geleitet wird. Meist befindet sich dort auch ein kleiner Hafen und ein Restaurant. Einige sind auch die Festlandshäfen der vorgelagerten ostfriesischen Inseln, so z.B. auch das lebendige Neuharlingersiel, von wo aus man nach Spiekeroog kommt.

In Harlesiel mussten wir, wie so oft auf Radreisen wieder einmal zu unkonventionellen Mitteln greifen, um einer Situation zu entkommen, in die einen in der Regel die lokalen Tiefbauämter bringen, wenn sie ihre Baustellen entweder gar nicht oder falsch, zumindest aber nicht nach den Bedürfnissen von Radfahrern ausschildern. Diesmal war ein Radweg gesperrt, so dass wir in Ermangelung irgendeiner Ausschilderung die daneben liegende Straße nutzen, auch wenn der Asphalt recht frisch schien und überall noch Baumaterial herumlag. Am Ende führte die offensichtlich noch nicht freigegebenen Straße in eine Baustelle. Unterhalb verlief am Deichfuß ein neu angelegter Radweg. Also rollten wir den Hang des Deiches über das Gras hinunter. Doch kurz danach standen wir dann an einer Absperrung. Auf der anderen Seite standen ebenfalls Radfahrer, die in die andere Richtung wollten. So war für uns zumindest klar, dass es hinter dem Zaun weiterging. Also gabs nur eins, ab die Taschen und Räder über den Zaun hieven. Auf der anderen Seite angekommen sahen wir dann ein ordentlich großes Umleitungsschild für die andere Fahrtrichtung, allerdings -wie so oft- ohne Ortsangabe.

Ursprünglich wollten wir von Harlesiel aus nach Süden ins Binnenland abbiegen und von dort zum Jadebusen fahren. Aber weil es so schön war an der Küste und wir gleichzeitig so gut vorankamen, beschlossen wir spontan, einfach nach Osten weiter zu fahren bis die Küste von sich aus nach Süden abknickt. Kurz vor dieser Stelle gab es noch eine Überraschung, eine Düne und richtiger, breiter Sandstrand am Festland. Normalerweise findet dich so etwas nur auf den Inseln. Wir nutzten die Gelegenheit für eine kleine Pause am Strand. 

Das war auch deshalb eine gute Idee, weil es danach anstrengend wurde, denn nun kam der frische Westwind von schräg vorne. Ab Hooksiel ging es wieder ins Binnenland, Wilhelmshafen blieb links liegen, auf Großstadt hatten wir keine Lust und außerdem verliert man dort zu viel Zeit. Und wir mussten noch etwas Strecke schaffen, hatten wir doch unterwegs in Dangast am Jadebusen ein Quartier im Gasthaus Störtebecker, das nur bis 19:30 Uhr geöffnet war, gebucht. Hinter Wilhelmshafen führte uns der Weg wieder an den Deich, der hier viel dichter mit Schafen vollgestellt war, als wir es bislang gesehen hatten.

Dangast selber entpuppte sich als schön gelegener und verschlafener kleiner Ferienort mit drei Hotels, einem Campingplatz und drei Restaurants. Mit später Küche war dort nicht zu rechnen.

Nach dem langen und zum Ende hin auch anstrengenden Trip heute wollten wir deshalb in Dangast gleich etwas trinken gehen. Da wir aber in unserem Gasthaus um 18:30 Uhr nicht mehr draußen sitzen durften, gingen wir in das Hotel, dass uns auf telefonische Anfrage vor wenigen Stunden versichert hatte, voll zu sein, und setzten uns dort in die Sonne. An der Tür der Rezeption stand deutlich in Großbuchstaben "Zimmer frei". Aha...


nach Vollersode 71 km

Maps: Thunderforest, Data: OpenStreetMap contributors
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Heute hieß es Abschied nehmen von der Nordsee.

Dangast hatten wir unsere letzten Kilometer am Deich, danach ging es ins Binnenland. Fanden wir anfangs dann doch ein bisschen schade, aber wir wollten ja unser Ziel Hamburg noch erreichen und mussten deshalb abkürzen und möglichst gradlinig unseren Weg dorthin legen. 

Der tollkühne Plan, von Bremerhaven nach Helgoland überzusetzen und dann am nächsten Tag von dort aus nach Cuxhaven einzuschiffen, war am absoluten Fahrradverbot auf Helgoland gescheitert. Das Wetter war wie Gestern überwiegend sonnig. Da wir zunächst Rückenwind aus Nord-Nordwest hatten, empfanden wir es auch als ausgesprochen warm. Als andere Radfahrer mit freien Oberarmen an uns vorbei fuhren habe ich mich deshalb hinreißen lassen, meine Überhose und das Longshirt auszuziehen. Allerdings musste ich diese Aktion wenig später Stück für Stück wieder rückgängig machen. Wir fuhren inzwischen quer zum Wind und so war es dann trotz Sonne doch zu kalt...

Nach der Hälfte der Etappe erreichten wir die Weser,  die hier kurz vor Bremen bereits ein ziemlich breiter Strom war. Und weil es deshalb nirgends eine Brücke gab, mussten wir Friesland verlassen, wie wir gekommen waren -  mit der Fähre.

Die letzte Etappe nach der Weser sollte sich dann noch einmal kompliziert gestalten. So kompliziert, dass wir zum ersten mal mit Navigation gefahren sind. Eigentlich war das die Idee von einer Gruppe älterer E-Bike-Fahrer, die wir eine ganze Weile zuvor überholt hatten, dann aber an einem Hinweisschild wiedertrafen, weil wir trotz unsere guten Karten (1:75 000, extra für Radfahrer) nicht wußten, ob links oder rechts... und die Ausschilderung war zwar vorhanden, aber nicht besonders hilfreich. An jeder Kreuzung stand etwas anderes auf dem Schild.... Also Ziel eingegeben und Tante Google weist einem den Weg. 

Unser Hotel entpuppte sich als Motel alter Schule, irgendwo in einem vergessenen Vorort an einer Bundesstraße mit einem breiten Parkstreifen davor. Wie alte Fotos im Inneren nahelegten schon seit den 70ern so angelegt, hatte es sich seinen "Charme" über die Jahre erhalten. Hier war nichts neu, aber dafur sauber und persönlich. Denn die Dame am Empfang war sehr nett, auch wenn wir sie erst einmal telefonisch "aktivieren" mussten. Der Eingang war nämlich versperrt und nur ein kleines Schild wies auf die Telefonnummer, die anzurufen war, um jemanden zum Empfang zu bekommen. 

 

Was wir auch feststellten, als wir ankamen, war die mangelhafte Versorgungssituation vor Ort. Kein Restaurant unter 4 km Entfernung, nur ein Imbiss, zu dem unsere Hoteldame selbst auf Nachfrage eisern schwieg. Also folgten wir lieber ihrem Tipp, uns eine Pizza beim örtlichen Lieferdienst zu bestellen. Im Hotel gab es einen kleinen Gemeinschaftsraum mit Couch und Tisch und einem mit Getränken prall gefüllten Kühlschrank. Den nutzten wir für unser spätes Abendessen und es wurde noch ein sehr gemütlicher und ungewöhnlicher Abend...


nach Buxtehude 76 km

Maps: Thunderforest, Data: OpenStreetMap contributors
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Der letzte volle Reisetag sollte noch einige Überraschungen mit sich bringen. Zum Beispiel: Berge! Naja, keine wirklich großen, aber nach hunderten Kilometern am Deich schon eine kleine Herausforderung, mindestens aber Umstellung. Aber zunächst galt es, aus dem Umfeld des Teufelsmoors heraus zu kommen. Dort hatten wir den Eindruck, Moorleichen kämen nicht wegen des Untergrundes zu stande, sondern wegen der verwirrenden Wegweisung und der sich ständig ändernden Wegeführung. So oft wie hier mussten wir noch nie auf unsere Karten gucken... 

Ansonsten war es ganz schön, dort zu fahren. Kleine, leere Asphaltstraßen in einer zwar weiträumigen, aber zugleich auch durch Hecken und Baumreihen gegliederten, flachen Landschaft. Für unseren Geschmack vielleicht ein bißchen zu viel Wald, den dort war's kalt. Wir wären lieber etwas öfter durch die Sonne gefahren. Da wir aber unsere Arme schonen wollten, hatten wir ohnehin lange Oberteile an. Allerdings mussten wir diese nach einer Weile noch durch unsere Windjacken ergänzen.

Nach der ausgedehnten Moorlandschaft fing dann eine wellige Hügellandschaft an, die sich bis kurz vor Buxtehude erstreckte. In einem immer wiederkehrenden Auf und Ab mit teilweise schönen Abfahrten, wie man sie aus Mittelgebirgen kennt, ging es durch endlose Maisfelder und hinter  Harsefeld durch weite Apfelbaumplantagen mit knallrot leuchtenden Äpfeln, die hier von Hand gepflückt wurden.

Beim abendlichen Stadbummel stellten wir fest, dass wir Buxtehude als letzte Übernachtungsstation thematisch passend gewählt hatten. Die Altstadt hat nämlich ein klein wenig eine holländische Anmutung, vor allem durch eine kleine Gracht, die sie durchzieht.


nach Hamburg 28 km
  (+4 km Fähre)

Maps: Thunderforest, Data: OpenStreetMap contributors
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Der letzte Tag der Tour sollte über nur wenige Streckenkilometer von Buxtehude zur Elbe und an dieser entlang in den Hamburger Hafen nach Finkenwerder führen.

 

Als krönender Abschluss war eine Fahrt mit der Fähre zum anderen Ufer nach Altona vorgesehen. Im dortigen Bahnhof wollten wir am Nachmittag in den Zug nach Berlin steigen

Der Weg zur Elbe führte uns am Deich des Flüsschen Espe entlang und war nochmal landschaftlich ein echtes Highlight. Der Fluss schlängelte sich in vielen kurzen Kurven durch eine hübsche Garten- und Obstanbauregion, gespickt mit vielen für das Alte Land typischen Fachwerkhäusern auf und am Deich.

Unterstützt durch etwas Rückenwind erreichten wir nach kurzer Zeit die Elbe. Leider verlies und dort nicht nur die ansehnliche Landschaft sondern auch das bis dorthin noch halbwegs liebliche Wetter. Der Himmel zog sich zu und von hier an ging es nur noch in grau weiter. Daduch kam es uns an der Elbe nochmal wie am Meer vor...

 

Dann hieß es, am Betriebsgelände von Airbus vorbei ins Hafengebiet zu fahren die Fähre zu finden. Leider war auch in Hamburg die Ausschilderung nicht immer eindeutig, so dass wir erst im Finkenkruger Kulturhafen merkten, dass wir wohl vorbei gefahren sein müssen. Wir sahen nämlich die Fähre ein paar hundert Meter weiter vorn ablegen...

Die Fähren fahren allerdings alle 15 Minuten, allso kein Grund zur Hektik. Wir waren ohnehin viel zu früh. Voll war die Fähre trotzdem, es fand sich kein Sitzplatz mehr und selbst Stehen an der Reeling war kaum möglich. Naja, Sonntag halt, Ausflugsrückreiseverkehr. Die Fähre war flott unterwegs und kurvte zwischen zwei niederländischen Segelschiffen herum, die Richtung Innenstadt unterwegs waren. 

In Altona fuhren wir noch im wilden Gewimmel zwischen Reisebussen, Lieferwagen und Touristen zum Fischmarkt und überbrückten unsere gut zwei Stunden Wartezeit bis zur Abfahrt des Zuges noch bei Eier Carl mit craftigen Ratsherrenpils und einer Kleinigkeit zu essen. Da es trotz gegenteiliger Wettervorhersage mal wieder anfing zu regnen, fanden wir uns unter einem großen Schirm mit mehreren anderen Regenflüchtern wieder und beobachten das Treiben der Feuerwehr an der Kaimauer, die dort mit ihren regelmässig mit Blaulicht eintreffenden Einsatzfahrzeugen und sogar einem Löschboot für Aufsehen sorgte.

 

Ein letztes mal fuhren wir dann durch den Regen zum Bahnhof Altona, um dort in unseren ICE (!) zu steigen, der uns nach Berlin bringen sollte. Und bei der Bahn lief es dann wie immer. Der Zug kam eine Viertelstunde zu spät, lief auf einem anderen Gleis ein und natürlich war auch die Wagenreihung genau anders herum, als angegeben. Also für erfahrende Reiseradler nichts Besonderes. Aber man hatte sich noch etwas für uns einfallen lassen, was wir bislang nur aus österreichischen Regionalzügen kannten: die Tür zum Fahrradabteil war defekt. Also mussten wir das Rad vom nächten Eingang hochkant auf dem Hinterreifen ballancierend zwischen den Sitzreihen durch den ganzen Wagon schieben. Die Schaffnerin versprach, dafür zu sorgen, dass auf allen Stationen unterwegs auf der linken, funktionierenden Seite ausgestiegen werden könnte. Hat auch geklappt. Was nicht geklappt hat, war die Anzeige des Ausstiegs - am Endbahnhof Südkreuz wurde die andere, defekte Seite angezeigt, so dass ich zur Vorbereitung des Ausstiegs Taschen und Rad wieder durch den vollen Zug manövriert habe, nur um festzustellen, dass der Zug dann doch richtig hielt... Bahn halt.


Fazit

Die Fahrt entlang der Nordseeküste kann ich Jedem empfehlen, der abseits großer Straßen einfach seine Bahnen ziehen will. Keine Steigungen, wenig Ablenkung durch Sightseeing. Ganz viel grüne Landschaft zur rechten und das Meer zur Linken. Im Grunde total anfängertauglich - wenn nur das unbeständige Wetter nicht wäre. Der Wind kann einem wirklich zu schaffen machen wenn er von vorne kommt. Aber das macht er ja nicht immer  - nicht mal bei mir...