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Österreich Ost-West 2021 - Teil 1


Reisesteckbrief

3 Wochen im Herbst * September-Oktober 2021

 überwiegend gutes Wetter * viel Sonne, aber meist frisch


880 km * 21 Fahrtage * keine Pausentage, kurze Etappen * ganz überwiegend ländliche Umgebung * ab und an Autobahnen im selben Tal


Anreise mit dem Railjet von Berlin nach Wien direkt, Rückfahrt Regio und ICE mit Umstieg in München


Östl. Wien und im Seewinkel weitgehend flach, ab Westufer Neusiedler See hügelig bis zum Semmeringpass  * danach Wechsel aus breiten und schmalen Alpentälern * mehrere kleine Pässe und Sattel * hügelige Almwiesen



Die Idee und was daraus wurde

Wegen der unübersichtlichen Coronasituation und der bei einem Roadtrip notwendigen Dauer-Testerei haben wir im Frühsommer 2021 ausnahmsweise mal keine Radwanderung unternommen, sondern stattdessen mit Rädern und Paddelboot auf dem Auto  verschiedene Spots in Norddeutschland angesteuert.  Das war auch schön, aber wir waren uns einig, dass uns etwas fehlte. Deshalb wollten wir im Herbst unbedingt 3 Wochen auf Radwanderung gehen. Leider ließ der Beruf es nicht zu, früher zu fahren und so konnten wir erst Mitte September aufbrechen. 

 

Die Touridee war, Österreich einmal im Längsschnitt  komplett von Ost nach West zu durchqueren, vom Neusiedler See zum Bodensee. Immerhin erstreckt sich das Land in dieser Richtung über gute 600 Km und verändert dabei auch nicht unerheblich seinen Charakter. Und Abwechslung war genau das war es, was wir wollten. 

 

Eigentlich sollte es von West nach Ost gehen, aber da wir zum Bodensee keine Zugverbindungen mit den Rädern mehr bekamen, sind wir eben anders herum gefahren, was sich im Nachhinein als Glücksfall entpuppt hat. So konnten wir uns nämlich in Ruhe einen Tag lang Wien ansehen und  uns danach die ersten drei Tage wunderbar in flachem Gelände einfahren.

Im Vorfeld waren wir etwas unsicher, wie wohl die Wetterbedingungen zu dieser Jahreszeit in den Bergen aussehen würden, und so bereiteten wir uns auf alles vor. Und das war auch gut so! Nach anfänglich sommerlichen Bedingungen am Neusiedler See zog es sich zu und wir mussten uns eine Weile auf niedrige Tagestemperaturen um 10 Grad herum einstellen, was aber dank der vorsorglich eingepackten Übergangskleidung und mit "Zwiebeltechnik" gut zu bewältigen war. 

Am Abend kam dann quasi zur Entschädigung für einen trüben Tag oft noch die Sonne heraus und tauchte alles in ein intensives goldenes Licht. Wunderschön! 

 

Zum Ende der Reise hin Richtung Bodensee besserte sich das Wetter wieder und wurde spätsommerlich bei angenehmen Temperaturen um 20 Grad herum. Weil aber die Herbstsonne schon sehr tief stand, erreichte sie manches Tal auch mitten am Tag nicht mehr. Die T-Shirt-Zeit war definitiv vorbei, Schatten und Bergabfahrten konnten schon empfindlich frisch werden...

Trotz relativ kurzer Etappenlängen sind wir wegen der kürzer werdenden Tage öfter einmal in die Abenddämmerung gefahren. Manche Etappe hat sich auch einfach wegen des Höhenprofils ein wenig länger hingezogen, als gedacht. Aber so ist das eben im Herbst... Die Strecke haben wir in der vorgesehenen Zeit von 3 Wochen geschafft, allerdings nur, weil wir am Arlberg dann doch den Zug nahmen und auf Pausentage verzichtet haben. In Ungarn und der Schweiz konnten wir trotzdem kurz vorbeischauen, da beide Länder quasi auf dem Weg lagen.

 Rückblickend meinen wir, dass es eine sehr schöne und vielseitige Radreise war, die uns noch lange in Erinnerung bleiben wird. Wir haben Österreich richtig gut kennenlernen können  und waren von seiner Vielfalt sehr angetan. Zum Einen natürlich wegen der beeindruckenden Bergwelt, und hier vor allem der Almwiesen. Die Fahrten auf geschwungenen kleinen Feldwegen über die auch im Herbst noch saftig grünen, welligen Hänge voller glücklicher Kühe und Hühner zählen einfach zu den besten Momenten der Radreise.

Im Kontrast dazu war es östlich des Neusiedler Sees flach und steppenartig. Überall fanden sich ausgetrocknete Salzlaken und die typischen Ziehbrunnen der Puszta. Ein völlig anderes Land.  Die östlichen Regionen mit ihren Weinhängen und Steppengebieten, den geduckt niedrigen, aneinandergebauten Häusern wirken schon sehr osteuropäisch.  Sie unterscheiden sich deutlich von den Postkartenidyllen im mittleren Teil des Landes mit ihren von zackigen Gebirgsketten gekrönten Tälern und den großzügigen Bauernhöfen mit Balkonen voller Geranien. Westlich von Innsbruck erinnern Landschaft und Bauweise  dann schon an das angrenzende schweizerische Graubünden. 

 

Diese Dreiteilung macht sich auch in der Sprache bemerkbar. Im Westen, insbesondere in  Vorarlberg geht es sprachlich zu wie in der Schweiz. In der Mitte Österreichs meint der unwissende Norddeutsche sich im bayrischen Sprachraum zu befinden, während ihn im Osten überall das gedehnte Wienerische empfängt.

Wir sind im Gegensatz zur Reise durch Deutschland im Corona-Jahr 2020 oft mit den Menschen ins Gespräch gekommen. Unser Eindruck war, dass es im Land unkompliziert und entspannt zugeht, auch wenn in der Gastronomie eine professionelle Höflichkeit vorherrscht. Vielerorts lebt man vom Tourismus und offenbar sind die Radfahrer im Sommer eine wichtige Zielgruppe. Allerdings wohl eher die Mountainbiker und vor allem die zahlreichen Downhiller, auf die inzwischen die meisten sommerlichen Liftbetriebe mit ausgedehnten Bike-Parks ausgerichtet sind.  Eine interessante Beobachtung war, dass Mitte September in den Bergen die Radwandersaison nahezu abgeschlossen zu sein schien. Weder Pärchen noch Gelegenheitsradler kreuzten unseren Weg. Stattdessen trafen wir nur noch Einzelfahrer und eine Einzelfahrerin,  die alle auf längeren Reisen waren und noch nach Venedig oder Istanbul wollten.

  

Was den Umgang mit Corona angeht, waren wir sehr überrascht, wie viel konsequenter hier in Hotels und Gastronomie der Impfstatus kontrolliert wurde als wir es aus Deutschland gewohnt waren. Selbst die Außengastronomie war ohne Nachweis nicht erreichbar. War man erst einmal kontrolliert, ging es dafür allerdings ohne Masken weiter.  Die Masken brauchte man, sofern man geimpft war,  eigentlich nur für den Lebensmitteleinzelhandel und den öffentlichen Nahverkehr. Bis in den Oktober 2021 hinein schien dieses Konzept aufzugehen, bis dann im Zuge der weltweiten Entwicklungen die Zahlen wieder nach oben schnellten...  


Die Reiseroute


Die Reiseabschnitte

Wieder einmal beweist die Reisestatistik, dass hier keine Extremsportler am Werk waren. Die Etappenlängen lagen 8x zwischen 30und 40 Km, 8x zwischen 40 und 50 Km und 4x über 50 km. Da wir nie über 1000m hoch waren und uns immer in den großen Tälern bewegt haben, lässt sich die Route trotz der Alpentransversale eher mit einer Mittelgebirgsroute vergleichen, was meine Ausführungen zur Routenplanung im Gebirge ganz gut belegt.


Reisebericht Teil 1

1. Abschnitt

 Wien, Niederösterreich, Burgenland, Ungarn

4 Tage - 158,1 Km

In Wien durch den Prater zur Donauinsel. Entlang der Donau bis Schwechat flach, danach leicht wellig bis Bruck. Über die welligen östlichen Ausläufer des Leithagebirges zum Neusiedler See. An dessen Ostufer durch die flache Puszta bis Illmitz. Nach Übersetzen ans Westufer in Ungarn stärkere Steigungen, vor allem vor Sopron. Danach wieder in Österreich durch welliges Voralpenland mit kurzen Steigungen in das große, flache Becken zwischen Wiener Neustadt und Neunkirchen.


Nach neun Stunden Zugfahrt über Dresden und Prag kamen wir am frühen Nachmittag am futuristischen neuen Wiener Hauptbahnhof an. Unser reserviertes Hotel lag knapp 4 Kilometer entfernt am schönen Spittelberg, direkt hinter dem Museumsquartier. Auf dem Weg dorthin statteten wir dem Schlosspark Belvedere einen kurzen Besuch ab. Von dort hat man nämlich einen wundervollen Blick über die Stadt Richtung Wienerwald.


Unsere Räder konnten wir, wie mit dem Hotel besprochen, in der Tiefgarage abstellen. Wir wollten am nächste Tag erst einmal in Urlaubsstimmung kommen und Wien zu Fuss erkunden. Das ließ sich von unserem Standort hervorragend machen. Einfach durch den schönen Innenhof des Museumsquartiers, und schon waren wir am Ring, am Heldenplatz und an der Hofburg. Von dort schlenderten wir über den Graben und den Stephansplatz durch die Altstadt und zum Donaukanal.


Am nächsten Tag ging es richtig los. Wir radelten durch die Innenstadt zum Prater, dem großen Volkspark Wiens.  In dessen westlichem Teil liegt der bekannte Vergnügungspark, den wir mit dem Rad durchqueren konnten. Eine etwas skurrile Erfahrung, Mittags durch den nur mäßig besuchten Rummel  zu fahren.  Um auf die langgestreckte Donauinsel zu kommen, mussten wir die schnurgerade, schattige Praterallee bald wieder verlassen und unterhalb einer Autobahnbrücke die Donau überqueren.


Auf der Donauinsel ließen wir die Stadt hinter uns und durchquerten ein ausgedehntes Erholungsgebiet. Nach mehreren Kilometern  fuhren wir beim Kraftwerk Freudenau wieder zurück ans Westufer der Donau, wo es doch nochmal städtischer und unübersichtlich wurde. Ein entgegenkommender Radler bestätigte unsere Vermutung, wo es lang gehen könnte und wir fanden nach diversen Wohn- und Gewerbegebieten endlich heraus aus den Suburbs von Wien.


Hier, südlich des internationalen Flughafens Schwechat, war es plötzlich erstaunlich ländlich. Ausgedehnte, flache Ackerflächen ohne Häuser weit und breit. Ein Landschaftsbild, das man so gar nicht mit Österreich in Verbindung bringt. Für uns als Berliner aus dem eigenen Umland war das hingegen ein vertrauter Anblick, wären da am Horizont nicht die Bergketten des Wienerwaldes, des Leithagebirges und der bereits in der Slovakei liegenden Karpaten gewesen. Als es wieder hügelig wurde erreichten wir unser Quartier in Gallbrunn, dem ersten Weinanbauort der Reise. 


Gut erholt starteten wir von unserem rührig bemühten Landhotel in den nächsten Tag. Es sollte bis nach Podersdorf am Ostufer des Neusiedler Sees gehen.  Zwischen uns und dem See lagen die östlichen Ausläufer des Leithagebirges. Das leicht hügelige Land war für uns untrainierte in Verbindung mit der flirrenden spätsommerlichen Hitze die erste kleine Herausforderung. Aber da es immer über Radwege oder kleine, wenig befahrene Landstraßen ging, fuhr es sich trotzdem gut.


Bis Bruck a.L.  folgten wir noch dem Flüsschen Leitha bis nach Bruck. Dort war aber -vielleicht wegen der Mittagszeit- nicht viel los, so dass wir uns dort nicht lange aufhielten. Aufgrund der Hitze und der sich wandelnden Kulturlandschaft kam  danach schon ein bisschen mediterrane Stimmung auf.  Der Weinanbau griff immer mehr um sich und es gesellten sich sogar Lavendelfelder dazu. Im Hintergrund waren wieder deutlich die Karpaten vor Bratislava zu sehen.


Nach Parndorf gönnten wir uns eine längere Rast auf einer Bank im Schatten. Bei der Gelegenheit konnten wir einem Fahrzeug der Gemeinde bei der Inspektion des Weges und der Raststelle zuschauen. Fanden wir gut, dass der Zustand tatsächlich mal kontrolliert wird -deshalb war wohl auch alles in Schuss. Aber die Gemeinde scheint auch Geld zu haben, das war schon am Ortsbild zu erkennen. Offenbar ist das Outletcenter, das oben auf dem Hügel wie eine Kulisse einer historischen Stadt hockt, ein guter Steuerzahler.


Nach einer seichten Abfahrt am Ort Neusiedel vorbei hinunter in die Pannonische Tiefebene tauchten wir in den dichten Schilfgürtel des Neusiedler Sees ein. Obwohl dieser Schilfgürtel am Ostufer am schmalsten ist, war das immer noch einen Kilometer entfernte offene Wasser nur von Erhöhungen und Aussichtstürmen  aus zu sehen. Das Ostufer wählten wir aber ohnehin aus anderem Grund. Wir wollten nämlich die dort beginnende Puszta sehen. Am Seeufer waren wir dann plötzlich nicht mehr alleine. Offenbar ist der Rundweg um den See sehr bei Radfahrern sehr beliebt.


Die meisten Radfahrer waren  Tagesausflügler, aber wir haben auch einige Radwanderer auf Kurzreise gesehen. Für eine spontane Drei-Tages-Radwanderung insbesondere auch für Radwanderanfänger ist der Neusiedler See nämlich ein denkbar ideales Revier. Mit 115 Km Länge führt er auf gut ausgebauten (feiner Schotter) und ausgeschilderten Wegen durch flaches oder leicht hügeliges Land. Wer abkürzen will, kann sich den ungarischen Südteil des Sees sparen und zwischen Illmitz und Mörbisch mit der Fahrradfähre übersetzen. Uns hat besonders die Abendstimmung in Podersdorf mit  seinem kleinen Leuchtturm und dem weiten Blick auf die Weinhänge am westlichen Seeufer gefallen. 


Tags drauf ging es durch die österreichischen Teile der Puszta nach Ungarn, das hier irritierenderweise am Westufer des Sees liegt. Von der steppenartigen Landschaft im Seewinkel am Ostufer waren wir sehr angetan. Sie beeindruckte uns durch ihre erdigen Farben, die  durchsetzt waren durch grellweiße, ausgetrocknete Salzlacken und Teppiche aus violett blühenden, pannonischen Salzastern. Die milchige Hitze tat ihr übriges zu der exotischen Wahrnehmung der Gegend bei.

 


Die Idee, den See ganz zu umrunden gaben wir allerdings auf, das hätte uns zu weit vom Kurs abgebracht. Deshalb setzten wir wie die meisten

mit der schon erwähnten Fähre ans Westufer über. Mit Ausnahme eines Fotomodells und ihres Fotografens, die an Deck ein Schooting machten, waren auch nur Radfahrer an Bord. Nach einer schönen Schifffahrt mit weiten Blicken, die uns die Dimensionen des Sees erahnen ließen, erreichten wir inmitten des mächtigen Schilfgürtels den Hafen und die etwas surreal anmutende Seebühne. Auch hier hat der See Ähnlichkeit mit unserem Ziel, dem Bodensee, dessen Seebühne in Bregenz wir in gut zweieinhalb Wochen auch noch sehen wollten...

 


Von der Seebühne aus waren es noch 1,5 Km schnurgerade durch den Schilfgürtel, bis wir im idyllischen Mörbisch ankamen. Der Ort ist bekannt für seine blumengeschmückten Hofgassen, eine bauliche Besonderheit, die es bis zum Weltkulturerbe gebracht hat. Eine weitere Besonderheit war, dass es hier erstmalig richtig bergauf ging, bevor wir die ungarische Grenze erreichten. Dort wachten zwei gelangweilte  Grenzpolizisten über die Einhaltung der Corona-Einreise-Regeln nach Österreich. 


Wer unter welchen Umstanden das Land verließ, interessierte sie nicht. Von ungarischen Beamten war hingegen weit und breit keine Spur. Dieser Zipfel Ungarns, den wir nun durchquerten, ist eine kleine historische Besonderheit. Denn nach dem ersten Weltkrieg, als das Reich der Habsburger zerschlagen wurde, waren die Grenzlande zwischen Österreich und Ungarn ein Zankapfel zwischen den neuen Staaten Österreich und Ungarn. Wer zu wem kommt, wurde letztlich durch eine Volksbefragung entschieden. Das Burgenland entschied sich dabei mehrheitlich für Österreich, nur das Gebiet um das damalige Ödenburg (heute Sopron) nicht. Und so ragt heute eine kleine ungarische Landzunge nach Österreich hinein bis zum Alpenrand. 

In Ungarn ging es deshalb überraschend hügelig weiter. Dafür hatten wir aber eine wunderbare Fernsicht über das südlichen Ende des Sees, bevor wir nach Sopron abbogen.  Es ging durch den Ort Fertőrákos steil in ein Tal hinunter und danach durch einen düsteren Wald auf einem Waldweg wieder bergauf. Leider war nicht nur der Weg schlecht, sondern auch die Ausschilderung. Hätten wir uns nicht über unser Handy selbst orten können, wären wir sicher mehrmals falsch abgebogen. 


Als wir endlich aus dem Wald heraus waren sahen wir Sopron oben auf dem nächsten Berg liegen. Also wieder bergauf, und diesmal ordentlich. Eine einheimische ältere Dame hatte den selben Weg. Sie überholte uns regelmäßig, bevor sie wieder eine Pause machte und wir wieder an ihr vorbeifuhren. Oben angekommen ging es durch etwas heruntergekommene historische Vororte Richtung Altstadt. Interessant war dort vor allem der alte jüdische Friedhof, der leider nicht zu besichtigen war.


In der  hübschen Altstadt mussten wir erst einmal eine Pause einlegen, weil der Anstieg  Kraft gekostet hatte. Allerdings blieb auch nicht allzu viel Zeit, denn es war schon recht spät. Wir mussten immerhin noch 9 Kilometer weiter zurück nach Österreich in unser gebuchtes Quartier direkt hinter der Grenze. Wir hatten uns entschieden nicht in Ungarn zu Übernachten, weil wir darauf überhaupt nicht vorbereitet waren. Wir verstanden die Sprache nicht und besaßen nicht mal die passende  Währung, den Forint.


An der Grenze erwartete uns wieder österreichische Grenzpolizei, die allerdings lediglich den Impfnachweis, nicht aber die Reisedokumente kontrollierte. Unsere Unterkunft in Schattendorf war zwar modern und die Gastgeber leger, aber für unseren Geschmack etwas zu ungepflegt. Entschädigt wurden wir dafür durch eine kleine Feier einer Baufirma, die sich auf diese Art bei Ihren Leute für den Abschluss einer Baustelle bedankte. Und so waren wir Zaungäste einer feucht-fröhlichen Sause mit eigener Volksmusik-Schlager-Kapelle. Lustig...

Am nächsten Tag brachen wir auf, ohne bereits zu wissen, wo wir übernachten wollen. Die vor uns liegende Strecke entlang des Rosaliengebirges war nicht gut einzuschätzen, was ihre Befahrbarkeit und das Vorankommen anging. Außerdem drohte eine Gewitterfront, alles durcheinander zu bringen. Also ließen wir die Entscheidung offen. Das war auch gut so, denn es wurde im Tagesverlauf ab und an doch schon recht anstrengend. Viele Steigungen, die zwar nicht lang, aber auch nicht ganz ohne waren. 


Aber schön wars. So gut wie autofrei führten kleine Wirtschaftswege und Landstraßen durch die abwechslungsreiche Landschaft. Der Himmel ergänzte das Ganze durch ein schönes Farben- und Wolkenspiel.  Und wir hatten Glück: das Gewitter zog knapp seitlich an uns vorbei und bis auf ein kurzes leichtes Nieseln blieben wir trocken. Allerdings hatten wir an unserem Glück durch Wolkenbeobachtung etwas mitgewirkt, weil wir in Mattersburg einen längeren Aufenthalt einlegten, um dem Gewitter Zeit zu geben, vorbeizuziehen.


Auf einem der Höhenrücken nache dem Ort Wiesen begegneten wir einer Radwanderin, die sich allein von Wien nach Venedig aufgemacht hatte. Sie erkundigte sich nach dem Weg, von dem wir kamen und wir kamen ins Gespräch. Da wir aber alle noch einiges vor uns hatten, wünschten wir uns eine gute Reise und zogen weiter. Wir nach Norden, sie nach Süden. Als in Bad Sauerbrunn plötzlich die Sonne herauskam, gönnten wir uns spontan ein Eis. Eine gute Entscheidung, denn das Eis war sehr lecker. 


Hinter Bad Sauerbrunn mussten wir das Rosaliengebirge dann queren. Hierfür wählten wir eine Mountainbikeroute, weil das der kürzeste Weg ins Steinfeld, die Ebene südlich von Wiener Neustadt, war. Eine unser weniger guten Ideen, denn der grobschottrige Weg war schlecht zu befahren und führte an der Autobahn und einer Fabrik vorbei. Unten in der Ebene suchten wir uns dann ein Quartier, was gar nicht so leicht war. Wir standen schon auf dem Hof eines teuren Vier-Sterne-Hotels, als wir doch noch per Telefon einen günstigeren Gasthof erreichten.



2. Abschnitt

 Niederösterreich und Nordost-Steiermark

3 Tage - 124,1 Km

Flach entlang des Flüsschens Schwarza über Neunkirchen bis Gloggnitz, ab dort Aufstieg zur Wallfahrtskirche Maria Schutz und weiter zum zum Semmering-Pass auf knapp 1000m Höhe. Von dort rasante Abfahrt via Spital bis Mürzzuschlag, dann flach flussabwärts durch das breite Tal der Mürz über Mitterdorf bis Bruck. Ab dort an der Mur wieder flussaufwärts über Kapfenberg bis nach Leoben.


Nun waren wir also in Niederösterreich, das seinem Namen zunächst alle Ehre machte. Denn das Steinfeld ist wirklich sehr flach und wir fuhren die meiste Zeit das Flüsschen Schwarza kaum merklich flussaufwärts entlang. Landschaftlich hatte die Strecke allerdings nicht allzuviel zu bieten, führte sie doch großteils durch Siedlungsgebiete, wovon lediglich die Altstadt von Neunkirchen sehenswert war. Der Abschnitt über den Peterberg hinter Neunkirchen war auch noch ganz reizvoll.


Hinter Neunkirchen rückten die Alpen immer mehr ins Blickfeld, weil sich die Ebene trichterförmig verengt. Das war durchaus motivierend, aber zugleich erinnerte es uns an eine noch offene Aufgabe. Wie wollen wir zum Semmering-Pass hochkommen? Ich bin diesen Pass vor vier Jahren bereits gefahren und wusste, dass er trotz seiner nur 1000m Höhe einige längere und steilere Passagen hat. Waren wir wirklich schon fit genug? Deshalb wollten wir lieber die Semmeringbahn nehmen, eine technische Meisterleistung aus der Frühzeit der Eisenbahn (1858!), die seit 1998 sogar Weltkulturerbe ist. Der Zug hätte oben auf dem Berg im Kurort Semmering gehalten und wir hätten uns dort ein Zimmer gesucht. Aber als wir am Bahnhof Gloggnitz die Rahmenbedingungen recherchierten, kamen wir ins Grübeln. Wir hätten eine gute Stunde auf den Zug warten müssen und waren uns wegen der Rahmenbedingungen der Fahrradmitnahme nicht ganz sicher.

 

So kam ich auf den Gedanken, den Pass einfach in zwei Etappen zu fahren. Aus meiner letzten Passfahrt hatte ich nämlich noch die Erinnerung an die Wallfahrtskirche Maria Schutz, die mitsamt eines damals sehr einladend wirkenden Gasthauses auf halber höhe liegt. Durch einen spontanen Anruf dort konnten wir tatsächlich ein Zimmer ergattern und machten uns auf den Weg den Berg hinauf.

Da parallel durch den Berg und über eine imposante Talbrücke eine Schnellstraße geht, hielt sich der Autoverkehr auf der Passtraße in angenehmen Grenzen. Bis zum Ort Schottwien, der von der Brücke überspannt wird, waren auch die Steigungen noch moderat. Direkt nach Schottwien ging es dann aber in einer langen Geraden die Bergflanke hoch. Lediglich eine einzige Kehre machte die Strecke bis Maria Schutz, wo sie eine kleine Steigungspause einlegte. Für uns war es an dieser Stelle auch genug und es fühlte sich irgendwie seltsam an, als neben der Wallfahrtskirche direkt über dem Gasthof ein mystisches Licht das Ende der Strapazen signalisierte. 


Die Wirtin, mit der wir uns ein bisschen ausgetauscht hatten, gab uns am nächsten Morgen zum Abschied ein Tütchen mit zwei hausgemachten Krapfen, für die der Gasthof bekannt war, mit auf den Weg. Woher allerdings der Hund, der mir zufällig durch's Bild lief, seinen Krapfen hatte kann ich nicht sagen. 


Die Pausenverpflegung war schon mal gesichert. Allerdings war vorher noch einiges zu tun, da wir den Pass ja noch nicht erreicht hatten. Wir nutzen für den Anstieg weiter die leere Passstraße, da uns der ausgeschilderte Radweg teilweise wieder nach unten und wieder hinauf geschickt hätte. Mitten in einem steilen Abschnitt zogen zwei Mountainbiker an uns vorbei und fragten im Vorbeifahren, ob wir -wegen unseres vielen Gepäcks- umziehen würden. 


Das Radwanderer mit Gepäck am Semmering einen Exotenstatus haben, wurde uns erst später klar. Denn der Pass gehört im Sommer klar den Downhillern, die sich in großer Zahl in schwerer Montur den Berg hinunter stürzen. Wir machten am Lift unsere verdiente Pause und sahen dem Treiben eine Weile zu, auch wenn wir uns als schwerfällige Fahrrad-"Dinos" etwas fremd fühlten. Da es ansonsten aber nicht wirklich etwas zu sehen gab, stürzten auch wir uns bald wieder den Berg hinunter -auf unsere Art.


Bevor wir die Räder aber die anfangs recht steile Rampe abwärts laufen lassen konnten, mussten wir uns erst einmal etwas dicker einpacken. Zum Einen, weil das Wetter deutlich kühler als die Tage zuvor war, zum Anderen, weil der Fahrtwind bei 40km/h und mehr über längere Zeit ziemlich frisch sein kann. Und ein Helm kann bergab auch nicht schaden. Wir hatten zwar nur Radwege oder Nebenstraßen mit wenig Verkehr, aber bei der Geschwindigkeit weiß man ja nie...


Nun waren wir also in der Steiermark. Nach 14 Kilometern bergab erreichten wir das Mürztal beim wenig reizvollen Städtchen Mürzzuschlag. Auf dem Hauptplatz fand gerade ein Feuerwehrfest mit Blaskapelle statt. Wir setzten uns deshalb unter einen Baum am Rande der Veranstaltung um unser Quartier für den Abend zu buchen. Das hatten wir am Morgen unterlassen, da wir nicht wussten, wieviel Zeit uns der Pass kosten würde. Nun war es bald Fünf, und es wurde Zeit, irgendwo anzukommen. 

Da das Tal ab hier flach war, trauten wir uns noch weitere 18 Kilometer auf dem gut ausgebauten Radwanderweg entlang des Flusses Mürz zu. Wir stellten allerdings fest, dass es Abends im Herbst in den Bergen schnell empfindlich frisch wird. Was wir aber auch entdeckten, war dass das Licht der Abendsonne, wenn es denn mal durch die Wolken bricht, unglaublich intensiv ist. Hinter Mürzzuschlag riss der Himmel nämlich noch einmal auf, und weil das Tal der Mürz nach Südwest ausgerichtet ist, leuchteten die goldenen Sonnenstrahlen das ganze Tal entlang. Manche Bergflanken wurden dadurch total plastisch, weil jede kleine Unebenheit deutliche Schatten warf.  Die langen Schatten der Bäume auf dem noch tiefgrünen Gras gaben taten das ihre zu der tollen Atmosphäre. So etwas habe ich all die Jahre nur selten zu sehen bekommen


Am nächsten Morgen waren wir froh, dass wir unser Gasthaus in Mitterdorf wieder verlassen konnten. Erstmalig hatten wir den Eindruck, dass die Gastleute keine echte Freude an ihrem Beruf hatten. Es schien scheinbar nicht so gut zu laufen mit dem Übernachtungsgeschäft, trotzdem fühlten wir uns als One-Nighter nicht richtig Willkommen. Wer hier allerdings länger Urlaub machen soll, war uns nicht klar, weil das Mürztal wegen der vielen Industrie nicht unbedingt die erste Wahl für Touristen ist.


Dafür gibt es ein paar andere kulturelle Sehenswürdigkeiten wie Städte oder Schlösser. Auf unserem Weg lag z.B. Kapfenberg und natürlich das schon etwas größere Bruck am Zusammenfluss von Mürz und Mur. Am Hauptplatz fanden wir eine Bank in der Sonne für ein Eis und die Suche nach einem Quartier. Es war schon wieder kurz vor Fünf und wir wollten wieder noch18 Kilometer weiter, diesmal nach Leoben. Hinter Bruck wiederholte sich dann erneut das wunderbare Schauspiel der Abendsonne über den Bergen. 


Leider hatten wir übersehen, dass es vor Leoben nochmal ein Stück entlang des Steilufers der Mur, die wir nun Flussaufwärts fuhren, den Berg hochging. Es wurde dadurch immer später und dunkler. Gott sei Dank hatte unser Hotel in der Innenstadt eine 24-h- Rezeption, so dass wir diesbezüglich entspannt waren. Nur die endlosen 6 Kilometer durch die Vororte und  Gewerbegebiete von Leoben (sprich: Le-Oben), die zerrten an unseren Nerven. Und natürlich die Steigung hoch in die Altstadt...


Die Stadt Leoben ist relativ groß, sie ist immerhin Universitätsstadt, Bergbau- und Industriestadt (hier wird das in Österreich weit verbreitete Gösser Bier gebraut). Umso überraschter waren wir, dass hier am Sonntagabend die Altstadt absolut ausgestorben ist.  Alle Restaurants waren geschlossen, unser diensthabender Student am Hoteltresen konnte das auch nicht erklären. Aber er bestätigte unser Problem und empfahl uns zwei Lieferdienste.

Auf eigene Faust entdeckten wir dann doch noch einen Chinesen, dessen Anmutung von Außen allerdings wenig einladend war. Aber wir trauten uns, und was soll ich sagen: ein sehr skurriles Erlebnis. Der Laden sah aus wie ein Trödelgeschäft, vollgepackt bis unter die Decke mit Ramsch. An allen Deko-Stücken hingen Preisschilder, und die Getränke wurden in Dosen auf den Tisch gestellt. Aber das Essen war einwandfrei und es verirrten sich immer wieder ein paar hilfesuchende Urlauber hinein.


Auch unser Hotel war nicht ohne Skurrilitäten. Neben unserem Zimmer befand sich eine schmiedeeiserne, schwere Tür, mit Roststellen und einem seltsamen Symbol, die in einen Raum 111 führte. Da ansonsten in unserem Neubau alles eher geradlinig-modern eingerichtet war, ließ es uns keine Ruhe, was wohl dahinter sein könnte. Unsere Vermutungen gingen von einem Raum für ein Live-Escape-Spiel bis hin zu einem Zimmer mit Burgverließ- Sonderausstattung für Spiele der etwas anderen Art. Wir mussten also unbedingt nachfragen und man verriet uns, dass es tatsächlich ein Themenzimmer war, allerdings für eine andere Art von Liebhaberei. Das Zimmer ist für Gäste mit einem Faible für Industrieromantik. Auch sowas gibt es also... Aber da Leoben auch Brauereistadt ist, gibt es auch ein Gösser-Bier-Zimmer mit eigenem Zapfhahn.


Hier in Leoben endet der erste Teil meines Reiseberichts. Wie es von hier aus über den Alpenhauptkamm weiter ins Salzburger Land und nach Tirol bis zum Bodensee ging, erfährst Du im zweiten Teil.

zum zweiten Teil der Radwanderung (Leoben - Lindau)