München-Venedig

Der Klassiker der Alpenüberquerungen


Venedig! Was für ein Reiseziel für einen Radreisenden. Als ich vor einigen Jahren mit meiner Reisebegleitung diese Idee entwickelt hatte, gab es für diese Reiseroute so gut wie keine Literatur (mittlerweile kann man hierzu bei den einschlägigen Verlagen die entsprechenden Radtourenbüchlein für die Lenkertasche für kleines Geld erwerben). Wir mussten uns unsere Route damals selbst zusammenstellen, teilweise immerhin mit Hilfe eines Heftleins des Radfahrpioniers Kay Wewior (Paradiseguide.de). 

 

Es war eine Reise ins Ungewisse. Wir hatten die Reise für Ende Juni geplant, damit die drei Pässe, die auf dem Weg lagen, ganz sicher auch offen waren. Aber wir hatten keine Ahnung, ob unsere gewählten Pässe tatsächlich tourenradlertauglich waren. Auch waren wir ratlos, wie wir durch die Po-Ebene kommen sollten. Denn wenn man sich das Straßennetz dort auf der Landkarte ansieht, fragt man sich schon, warum es in einem solch flachen Landstrich nicht möglich war, ein halbwegs übersichtliches Straßennetz aufzubauen.

 

Aber es hat sich gelohnt. Nicht nur die einmalig schönen Landschaften, sondern auch die zahlreichen interessanten und malerischen Orte am Wegesrand und natürlich zu guter letzt das Ziel Venedig machen diese Reise zu einem unvergesslichen Erlebnis.

Die Reise teilte sich in 4 Abschnitte auf:

 

1. Voralpenland

Von München entlang der Isar nach Bad Tölz. Anstieg zur Sylvensteinsperre und unterhalb des Achenpasses weiter bis zum Achensee.

 

2. deutschsprachiger Alpenraum

Steile Abfahrt vom Achensee ins Inntal. Den Inn entlang bis Hall und dann die alte Römerstraße hinauf zum Brenner. Nach dem Brenner auf dem Bahnradweg nach Sterzig und dann ins Pustertal. Über Toblach und an den Drei Zinnen vorbei über den Passo Cimabanche ins Veneto.

 

3. italienischsprachiger Alpenraum

Von Cortina Di Ampezzo über Belluno und Feltre zum Fluss Brenta. An diesem weiter bis nach Bassano di Grappa in die Poebene.

 

4. Poebene

Die Brenta entlang über Citadella nach Padua. Entlang des Naviglio del Brenta-Kanals Richtung Mestre und über den Damm der Ponte della Liberta nach Venedig. Übersetzen vom Fährhafen Tronchetto mit der Autofähre zum Lido die Venezia.



Tag 1: München - Bad Tölz

Für die Anreise von Berlin nach München wählten wir, wie so oft, den Nachtzug. Morgens gibt es dort zwar ein Frühstück, aber das ist kaum der Rede wert und muss auch immer in Eile eingenommen werden. Deshalb ging es für uns erst mal vom Hauptbahnhof zum Stachus und dann in die Fußgängerzone der Kaufinger Straße. Eigentlich darf dort nicht geradelt werden, aber am frühen morgen ist es vertretbar. Unser Ziel war der Viktualienmarkt, um uns mit frischen Zutaten für ein zweites Frühstück zu versorgen und die Athmosphäre aufzunehmen, wenn der Markt langsam zum Leben erwacht. Frisch gestärkt ging es danach weiter Richtung Osten.

 

Am Deutschen Museum stießen wir auf die Isar. An ihren Ufern ging es vorbei am Tierpark Hellabrunn auf eigenen Radwegen durch Parks und Wälder zur südlichen Stadtgrenze. Da das Wetter schön war, konnten wir viele Münchner beobachten, die sich am Ufer des Flusses auf den breiten Kiesflächen zum Sonnenbaden ausbreiteten. Mit nur leichten Steigungen und nahezu autofrei ging es ins Voralpenland nach Bad Tölz. Ab und an muss man allerdings an der Isar, wie auch an den anderen Flüssen im Voralpenland, mit Umleitungen aufgrund von Wegeschäden durch die Hochwasser des letzten Frühjahres rechnen. Je näher man den Bergen kam, umso öfter ging es auch mal ein Stück weiter weg vom Ufer der Isar ins benachbarte Hügelland.

 

Mit den Bergen kam leider auch das schlechte Wetter. Kurz vor Etappenende baute sich eine Regenfront vor uns auf. Da wir mit Gewitter rechneten, erkundigten wir uns bei den am Wegesrand liegenden Übernachtungsmöglichkeiten nach freien Zimmern. Aber wir hatten Pech, und so fuhren wir im aufkommenden Regen hinein nach Bad Tölz, wo wir in einer Pizzeria mit Gästezimmern schnell unterkamen. Da es schon spät war, verschoben wir die Stadtbesichtigung auf den nächsten Tag und gingen nach dem Frisch machen gleich nach unten in die Gaststube. Das ist der große Vorteil von Gasthöfen, einfach ankommen. Kein Suchen mehr und keine Wege...


Tag 2: Bad Tölz - Achenkirch

Es hat sich in der Nacht ausgeregnet, na also! Nach dem Aufsatteln drehen wir noch eine Runde durch die Altstadt, dann fahren wir zurück an die Isar, die uns weiter ins Gebirge führen wird. Wir haben uns für die Route nach Österreich über den Sylvenstein-Speichersee entschieden, denn dadurch muss man nicht über den Achenpass. Zuerst aber geht es gemütlich am Fluss entlang weiter nach Süden. Die Landschaft am Fluss wird hinter Bad Tölz ursprünglicher und erinnert ein wenig an Skandinavien. Erst kurz vor dem Stausee wird es vorübergehend mal steil. Aber in diesem Abschnitt fährt man auf der Trasse einer Bahnlinie, und Bahntrasse bedeutet immer moderate Steigungen. Kurz vor dem See fahren wir das erste Mal auf dieser Reise durch einen kurzen Fahrradtunnel.

 

Der Sylvenstein-Speichersee liegt auf ca. 770m Höhe und wird von dem Flüsschen "Walchen" gespeist, das vom Achensee kommt. Am Ufer der Walchen geht es jetzt Richtung Osten nach Österreich, leider ohne richtigen Radweg auf der Bundestraße. Aber der Verkehr hält sich in Grenzen. In Österreich angekommen heißt es erst einmal, sich zu orientieren, denn die Bundesstraße gabelt sich hier. Der eine Zweig führt nach Norden zum Achenpass, der andere nach Süden zum Achensee. Die Verbindung Achenpass-Achensee scheint nicht ganz unwichtig zu sein, denn hier ist auch Abends noch viel Verkehr. Auffällig ist die Gereiztheit einiger Autofahrer, die wir uns nicht ganz erklären können... Sobald es möglich ist, versuchen wir deshalb, die parallel zur Bundesstraße durch die langgestreckten Wohngebiete von Achenkirch führenden Straßen zu nutzen. Zur Übernachtung haben wir uns den Campingplatz direkt am Seeufer ausgeguckt. Der hat nämlich nagelneue Gästezimmer mit Terrasse und Gastronomie mit Seeblick. Schade, dass es am Abend zum Draußen sitzen dann doch zu kalt ist.


Tag 3: Achenkirch - Hall in Tirol

Der nächste Morgen am Achensee. Ein Traum... Die Sonne strahlt vom Himmel und lässt das Wasser des Sees türkis-blau funkeln wie eine Lagune in der Südsee. Der Achensee selber hat allerdings eher die Anmutung eines Fjordes. Er ist von hohen Bergen umgeben und dabei nur sehr schmal. Scheinbar endlos dehnt sich der See in akkurater Nord-Süd-Richtung aus, und bietet entlang unserer Route auf überwiegend autofreien Wegen am Ostufer zahlreiche Badestellen mit kristallklarem Wasser.

 

Am Südufer kann man auch die Besonderheit der Lage des Sees gut wahrnehmen. Sein Tal liegt nämlich um einiges höher als das Inntal, auf das er im rechten Winkel stößt. Dadurch ergibt sich eine relativ unvermittelte Abbruchkante und ein grandioser Ausblick über das ganze Inntal und die gegenüberliegenden Berge. Vom Südufer des Sees in Maurach kann man mit der historischen Dampflok ins Inn-Tal herunter fahren. Erst mal muss die Bahn aber über einen kleinen Hügelkamm südlich des Sees schnaufen und wir Radler tun es ihr gleich. Danach ist dann die Abfahrt ins Inn-Tal zumindest für den Radfahrer eine richtige Sause... allerdings auch eine Dauerbelastung für die Bremsen! Aber man muss sich ohnehin entscheiden, ob man das Rad laufen lassen will oder lieber die Aussicht genießen möchte - beides geht nun mal nicht...

 

Unten angekommen fahren wir durch das breite und flache Inntal nach Hall in Tirol, wo wir in einem Gasthof vor den Toren der Altstadt absteigen. Da es sehr heiß war am Nachmittag bleiben wir den Abend lieber im schattigen Gastgarten und machen es uns dort gemütlich...

 


Tag 4  Hall in Tirol - Steinach am Brenner

Am nächsten Tag scheint schon morgens eitel die Sonne. Nach dem auschecken im Gasthof satteln wir auf und schauen uns vor der Weiterfahrt noch Hall an, eine alte Stadt mit enger, wuchtiger und dunkler Bebauung auf einem kleinen Hügel. Heute kommt noch ein Markt dazu, der die Straßen etwas bunter macht.

 

Danach fahren wir über den Inn und nehmen von da an die alte Römerstraße Richtung Brenner. Diese zieht sich mit zunächst moderater Steigung die südliche Bergflanke des Inntals entlang. Auf der Höhe von Innsbruck schwenkt sie dann parallel zu Brennerautobahn ins Tal der Sill. Da die Autobahn mit ihren markanten Ständerkonstruktionen auf der anderen, westlichen Talseite liegt, ist sie so gut wie nie zu hören. Je weiter die Römerstraße sich von Innsbruck entfernt, um so schmaler wird sie und um so kleiner werden die Siedlungen, die sie durchquert. Es wird ausgespruchen idyllisch, auch weil die Straße sich um jede Vorstreckung und jeden Rücksprung des Berges herumschlängelt.

 

Allerdings ist es sehr, seehr heiß! Und Schatten ist knapp. Letzlich machen wir eine längere Pause im Schlagschatten eines Supermarktes, aus dem wir uns immer wieder mit Erfrischungen versorgen, bis der Kreislauf wieder in Ordnung ist. Durch diesen längeren Aufenthalt fällt die letzte Etappe des heutigen Tages schon wieder in die Abendstunden. Das ist für die Quartierssuche nicht so schön, aber wir haben Glück und können gleich bei unserer ersten Anfrage einchecken. Mit uns ist nur noch eine Gruppe Outdoorsportler im Haus, Mountainbiker. Im Sommer in den Bergen nichts ungewöhnliches...


Tag 5 - Über den Brenner nach Sterzing

Das Wetter ist wieder schön! Für die bevorstehende Bergetappe ist allerdings die große Hitze weniger erquicklich. Gott sei Dank ist kein Wochenende, so dass sich die Zahl der motorisierten Ausflügler auf der alten Brennerstraße in Grenzen hält. Motorradfahrer sind natürlich unvermeidbar, wir haben uns aber inzwischen arrangiert, obwohl Motorradfahrer sehr oft viel zu knapp und auch bei Gegenverkehr überholen, was den Puls nochmal zusätzlich in die Höhe treibt. 

 

Auf der letzten Steigung zum Brennerpass begegneten wir dafür ganz anderen Reisenden aus einer scheinbar anderen Welt. Eine junge Frau im Sommerkleidchen, mit Flipp-Flopps und Strohkorb am Lenker war mit ihrem jugendlichen Sohn ebenfalls auf dem Weg zum Brenner. Für uns sah es eher nach Tagesausflug aus, aber ein paar Packtaschen hatten sie auch dabei. Und sie ließen sich ihre Unbekümmertheit scheinbar auch durch gelegentliches Schieben nicht nehmen...